„Wir wollten dem Wald das Magische zurückgeben“

Peter auf der Spur der Waldgeister
Peter auf der Spur der Waldgeister. Frederick Lau in der Hauptrolle des Köhlerjungen Peter Munk. (Foto: © Weltkino)

Heute kommt „Das Kalte Herz“ in die Kinos. Der Fantasy-Streifen wurde teils in der Sächsischen Schweiz gedreht. Mit Regisseur Johannes Naber sprach der Sandsteinblogger über die Sehnsucht nach Natur, Waldgeister – und den Schwarzwald im Elbsandstein.

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Eines der schönsten deutschen Märchen kommt zurück in die Kinos – als bildgewaltiger Fantasyfilm in Starbesetzung. Und die Sächsische Schweiz erweist sich mal wieder als einzigartige Filmkulisse.

In Anlehnung an die gleichnamige Vorlage von Wilhelm Hauff erzählt „Das Kalte Herz“ die Geschichte des bettelarmen Schwarzwald-Köhlers Peter Munk (Frederick Lau), der aus Liebe zur schönen Glasmachertochter Lisbeth (Henriette Confurius) einen Pakt mit den Mächten des Bösen eingeht. Um zu Wohlstand und Ansehen zu gelangen, überlässt er in einem verhängnisvollen Tauschgeschäft dem finsteren Holländer-Michel (Moritz Bleibtreu) sein Herz und bekommt stattdessen eines aus Stein in die Brust gesetzt. Doch mit einem kalten Herzen kann Peter keine Liebe mehr empfinden.

Mit der aufwändigen Neuverfilmung des Märchens zeichnet Regisseur Johannes Naber das Bild einer archaischen Welt, die von Waldgeistern, düsteren Ritualen und Standesschranken beherrscht wird. Neben Orten im Schwarzwald und den Babelsberger Filmstudios wurden einzelne Szenen in der Sächsischen Schweiz gedreht. Mitte August 2015 verwandelt ein Produktionsteam Teile des Langenhennersdorfer Felslabyrinths für zehn Tage in eine mystische Schwarzwald-Kulisse – die es so nie gegeben hat. Mit gewaltigem Aufwand – teilweise arbeiten über 150 Leute am Set – wird eine Schlucht im Labyrinth mittels Schirm künstlich verdunkelt und ein 30 Meter langer Bluescreen in den Wald gebaut, um im Hintergrund das Panorama der Affensteine zu simulieren, die sich in Wirklichkeit 20 Kilometer entfernt auf der gegenüberliegenden Elbseite befinden.

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 „Solche Orte habe ich nirgendwo sonst

in Deutschland gesehen.“

Regisseur Johannes Naber über das Elbsandsteingebirge

Regisseur Johannes Naber
Regisseur Johannes Naber. (Foto: © Weltkino)

Herr Naber, das alte Hauff-Märchen über hoffnungslose Liebe, Gier und wahres Glück. Was hat Sie an diesem Stoff gereizt?

In erster Linie die Materialismus-Kritik, die aus diesem Werk spricht. Das steinerne Herz ist dafür eine starke Metapher. Zu zeigen, dass die Gier alles Menschliche und Zwischenmenschliche zerstört – und eben nicht nur das, sondern auch die Natur um die Menschen herum. Letzteres schwingt bei Hauff zwar noch unterschwellig mit, aber es war mir zu sehr versteckt in dem Märchen. Das musste freigelegt werden, es ist ein wichtiger Aspekt. Damals wurde der Schwarzwald abgeholzt, 100 Jahre nach Hauff gab es dort keine Bäume mehr. Der Wald war buchstäblich kahl und ist auch nie wieder so geworden wie früher. Ein Raubbau an der Natur.

Zu Hauffs Zeiten – in der Epoche der Romantik – war die Rückbesinnung auf die Natur ein großes Thema. Ihre mystische Seite wurde neu entdeckt. Das spielt ja auch eine wichtige Rolle im Film. Man sieht einen wilden von Geistern bevölkerten Wald…

Ja, das war mir wichtig. Der Hauff´sche Schwarzwald ist ein deutscher Mythenort. Das sollte im Film mitschwingen. Wir wollten nicht einfach nur den historischen Schwarzwald vor 200 Jahren nacherzählen, sondern wirklich eine neue, fantastische Welt erschaffen, die voll ist mit Geistern und Mythen und Dingen, die die Menschen sich nicht erklären können. Die Natur im Film ist keine normale – wir wollten sie wirklich inszenieren und ihr etwas Zauberhaftes verleihen. Wir haben mit Nebel gearbeitet und mit Pollen – mit Pappelflaum, der durch den Wald weht. Wir haben den Wald beleuchtet. Wir haben versucht, ihm das Mystische und Magische zurück zu geben.

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Dazu passt die archaisch wirkende Symbolsprache des Films: Gesichtstätowierungen, die den sozialen Stand der Leute verraten oder Konflikte, die mit Stockkämpfen ausgetragen werden. Worauf Sie hingegen verzichten, sind die christlichen Bezüge des Märchens – das gläserne Kreuz, das am Ende den Holländer-Michel vertreibt. Wird damit nicht die Hauff´sche Vorlage entkernt?

Sagen wir mal so, die Moral, die in dem Märchen steckt und die ich lese, ist: Schuster bleib bei deinen Leisten. Wenn du versuchst, deinen Stand zu verändern, etwas zu sein, was du nicht bist, dann bekommt dir das nicht. So ist ja auch das Ende bei Hauff: Am Schluss ist Peter Munk wieder Köhler und macht, was sich geziemt. Das ist aber ehrlich gesagt nicht die Moral, die ich transportieren will. Ich finde, dass wir in einer Welt leben sollten, in der im Prinzip jeder seine Wünsche wahrmachen kann. Die Gesellschaft, die ich mir wünsche, ist eine ohne diese Stände und Kasten, in die man reingeboren wird und aus denen man nicht mehr rauskommt. Insofern stimmt es: Auf der moralischen Ebene habe ich das Hauff´sche Märchen wirklich anders interpretiert. Diese Freiheit habe ich mir genommen.

Das macht den Film zu einer sehr modernen Geschichte. Die Sehnsucht nach einer einfachen, naturbezogenen Spiritualität und Lebensweise ist ja gerade ein großes Thema unserer Zeit…

Genau. Das wollte ich nicht auf das Christentum beschränken. Die Waldgeister stehen dafür, dass die Menschen an etwas Übersinnliches glauben – an einen Naturzusammenhang, von dem sie nur ein Teil sind. Es gibt alle möglichen anderen Formen von Spiritualität, wie wir mit der Natur in Beziehung treten können. Eine rein christliche Deutung wäre mir zu eng gewesen. Im Film haben die Menschen eine Art archaischen Ritualglauben, der aber nicht näher erklärt wird.

Peter Munk auf einem Baum mit der Glasmachertochter Lisbeth
Hoffnungslos verliebt: Peter ist der Glasmachertochter Lisbeth (Henriette Confurius) verfallen. (Foto: © Weltkino)
Peter beim Holländer-Michel
Peter in der Schlucht des finsteren Holländer-Michels (Moritz Bleibtreu). (Foto: © Weltkino)

Zum Drehort: Ein Großteil der Handlung wurde im Schwarzwald gedreht, viele Szenen auch in den Babelsberger Filmstudios. Aber einige zentrale Sequenzen, zum Beispiel Peter Munks Begegnung mit dem Holländer-Michel, entstanden in der Sächsischen Schweiz. Das sind sehr düstere Szenen. Offenbar bietet sich die Landschaft dafür an.

Sie eignet sich bestens, um Schluchten und steinige Areale zu zeigen. Wir haben viele mögliche Drehorte in der Sächsischen Schweiz angeschaut. Zum Beispiel den Kuhstall. Dort oben wollte ich unbedingt den Tannenbühl drehen, wo die Glasmännchen sitzen. Aber das ging aus logistischen Gründen leider nicht. Es wäre zu aufwändig gewesen. Stattdessen sind wir ins Felslabyrinth bei Langenhennersdorf gegangen. Das ist zwar ein touristisch schon ziemlich ausgebeuteter Fleck, aber mit ein bisschen Arbeit konnte man ihn wieder zurückverwandeln in den mythischen Ort, der er vielleicht früher mal war – und der er für unseren Film sein musste. Das Gute am Felslabyrinth war, dass man dort auf engem Raum sehr viele Perspektiven und Orte zum Drehen finden konnte, das war für uns logistisch sehr günstig. Wir haben dort die Schlucht des Holländer-Michel gedreht – und 200 Meter weiter den Tannenbühl. Die Aussicht vom Kuhstall gibt es trotzdem im Film. Sie wurde mit einem Bluescreen simuliert, einer 30 Meter langen blauen Leinwand, die nachträglich bespielt wird. Das Entscheidende, was man im Schwarzwald nicht findet, sind diese offenen Felsstrukturen.

Schlucht wird mit einem Schirm verdunkelt
So wird´s noch dunkler in den Felsgassen des Labyrinths. (Foto: © Weltkino)

Wenn sie im Schwarzwald und also auch bei Hauff nicht vorkommen, warum spielen sie dann für den Film überhaupt eine Rolle?

Es ging wie gesagt nicht um eine historisch exakte Kopie des Hauffschen Schwarzwalds, sondern um die Erschaffung einer fantastischen Welt, wo die Geschichte optimal erzählt werden kann. Ich glaube, dass man sich als Regisseur die Freiheit nehmen muss, Orte neu zu erfinden. Mich interessiert nicht das historische Vorbild, sondern das, was die Menschen empfinden und assoziieren, wenn sie das Wort Schwarzwald hören.

Darauf wollte ich hinaus. Was bringen die Elbsandstein-Schluchten in Ihren Augen rüber?

Schluchten erzählen vom Eingeschlossensein. Der Holländer-Michel kommt ja nicht aus seiner Schlucht heraus, er ist dort gefangen. Und wenn jemand von außen in sein Reich hineinkommt, betritt er eine andere Welt. Das war entscheidend. Und das erzählt sich nur, wenn man im Film tatsächlich das Gefühl bekommt, in einem geschlossenen Ort zu sein. Sozusagen ein Insel-Ort in der Natur.

Dass sich die Sächsische Schweiz dafür anbietet, haben auch andere Filmproduktionen schon gezeigt…

Die Bedingungen sind optimal. Ich hab nirgendwo sonst in Deutschland solche Orte gesehen.

Bluescreen wird aufgebaut
Mit dem 30 Meter langen Bluescreen wird das Hintergrundpanorama verändert. (Foto: © Weltkino)

Die Kehrseite sind neben den logistischen Problemen des Geländes die nicht unerheblichen Naturschutzvorgaben. Würden Sie hier nochmal einen Film machen?

Auf jeden Fall. Die Behörden nehmen ihre Naturschutzvorgaben sehr ernst – aber sie versuchen auch zu helfen und Dinge zu ermöglichen. Das mit den Naturschutzauflagen geht einem ja nur dann auf den Keks, wenn man es nicht versteht und das Gefühl bekommt, da wird was vorgeschoben, um einem Steine in den Weg zu legen. Das war aber hier nicht der Fall. Im Gegenteil: Wir hatten den Eindruck, dass die Leute vor Ort diesen Film wollten, dass ihnen das Kalte Herz auch als Geschichte wichtig war. Das war toll.

Mal weg vom Kalten Herz: Sie haben das Drehbuch für den Bergfilm „Nordwand“ mitverfasst, der vor ein paar Jahren in den Kinos lief. Die Sächsische Schweiz als eine Wiege des Klettersports – hat das vielleicht noch einen ganz anderen Nerv bei Ihnen getroffen?

(Lacht.) Ich war tatsächlich in der Sächsischen Schweiz wandern, allerdings nicht klettern. Ich erwandere mir die Natur gerne – egal ob den Schwarzwald, das Tessin oder das Elbsandsteingebirge. Für den Film Nordwand habe ich eine Fassung erarbeitet, war aber nicht der maßgebliche Autor. Aber ich habe ein anderes Drehbuch geschrieben – und das wartet bisher noch auf seine Verfilmung: über die Erstbesteigung des Matterhorns. Also mit dem Klettersport und seiner Inszenierung im Film habe ich mich tatsächlich sehr viel auseinander gesetzt – doch bisher bin ich dabei ehrlich gesagt immer in den Alpen gelandet.

Regisseur Johannes Naber mit Hauptdarsteller Frederick Lau.
Pause am Set. Regisseur Johannes Naber mit Hauptdarsteller Frederick Lau. (Foto: © Weltkino)

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