Der frühe Vogel

Im Polenztal wird´s lebendig. In der Natur beginnt ein Wettstreit um die besten Brut- und Futterplätze. Und die Wasseramsel ist dabei manch anderem Talbewohner eine Schnabellänge voraus.

Es ist der Inbegriff des Elbsandsteinfrühlings: das Polenztal. Die Natur in den Gründen zwischen Polenztalschänke und Waltersdorfer Mühle gehört zum ökologisch Wertvollsten, was die Sächsische Schweiz zu bieten hat. Forstwirtschaftlich wird die Klamm schon seit Jahrzehnten nicht mehr genutzt – oben in den Felsen auf der östlichen Talseite befindet sich Sachsens ältestes Naturschutzgebiet. Und auch der Bach, von dem die Gegend ihren Namen hat – die Polenz – ist eine Besonderheit: klar, natürlich, blockreich, mit vielen kleinen Gumpen und Schnellen, teils eingehegt von felsigen Steilufern. Das alles gefällt einem kleinen gefiederten Gesellen ganz prima: der Wasseramsel.


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Mit Unterstützung des Vereins der Freunde des Nationalparks Sächsische Schweiz

Wie sie lebt und warum das Polenztal ein idealer Wohnort für sie ist, erfahrt ihr im Beitrag. Und für alle, die den kleinen Sänger gerne mal selbst beobachten möchten, gibt´s unten drunter noch ein paar Tipps. Wir schlagen euch eine Tagestour vor, bei der die Chancen auf eine Begegnung mit den flinken Piepmätzen ganz gut stehen. Karte und Route zum Download sind unter dem Beitrag verlinkt.

Beobachtungstipp: Wasseramseln sind früh und abends aktiv

Das gleich vorweg: Im März kann es im Polenztal schon mal schwierig werden, eine Wasseramsel zu beobachten. Denn die Vögel sind scheu und suchen schnell das Weite, wenn es in ihrer Nähe unruhig wird. Und jedes Frühjahr sorgt hier eine hübsche Kleinigkeit für reichlich Trubel und Aufsehen: Die berühmten Märzenbecherwiesen gehören zu den Hauptattraktionen der Sächsischen Schweiz. Anfang März locken die Frühblüher zahllose Schaulustige ins Polenztal. Pech für die Amsel – und alle, die sie zu Gesicht bekommen wollen.

Doch wer sich Zeit nimmt und ein paar zusätzliche Wanderkilometer nicht scheut, kann sich bei seinem Tagesausflug dem natürlichen Rhythmus der Vögel anpassen. Die kleinen Sänger sind nämlich besonders in den frühen Morgen- und späten Nachmittagsstunden aktiv. Unser Tipp: Das Polenztal von Hohnstein aus auf halber Höhe zunächst umgehen – und für später aufheben! Oberhalb vom Polenztal wartet der Hohnsteiner Rundweg auf dich. Du bist auf stillen Waldwegen unterwegs, wanderst vorbei an berühmten Felswänden, märchenhaften Grotten und Winkeln, zunächst Richtung Brandaussicht, steigst dann durch den Schulzengrund ab und gelangst schließlich nach einer Drei-Stunden-Tour am ruhigen Ende des Tals und zur richtigen Zeit ins Revier der Wasseramsel. Bleib auf dem Weg, verhalte dich in Bachnähe ruhig, vermeide hektische Bewegungen – und achte dabei auf Felsblöcke, Äste und Steine im Uferbereich. Vielleicht hast du Glück.

Kurzbeschreibung:

Hohnsteiner Rundweg (grüner Strich, Lehrpfad) bis zur Brandstraße, dieser folgend bis zur Aussicht, später durch den Schulzengrund (roter Strich) ins Polenztal und am gegenüberliegenden Ufer stromaufwärts (roter Punkt) zurück Richtung Hohnstein. Für den Auftieg in die Stadt empfiehlt sich der Pfad durch den Schindergraben (blauer Strich).

  • Distanz 13,7 Kilometer
  • 463 Höhenmeter
  • Wanderzeit ca. 5 h
  • Charakter: leicht
  • Einkehrmöglichkeiten: Brand-Baude, Waltersdorfer Mühle, Gasthaus Polenztal
  • Parkplätze: am Markt oder am Klärwerk Hohnstein

ÖPNV:  Linie 237 Pirna-Sebnitz über Hohnstein, Fahrplaninfos: www.rvsoe.de


Route GPX-Download
Hier könnt ihr euch mit einem Klick die Route direkt aufs Smartphone laden. Vor dem Download bitte eine Outdoor-App installieren, z.B. outdooractive oder komoot.


Der frühe Vogel


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Wäre sie nicht so beschäftigt, könnte sich die Wasseramsel über ihr tolles Zuhause freuen. An der Polenz hat sie sich eingenistet, in einem der schönsten Täler im Nationalpark Sächsische Schweiz. Direkt vor ihrem neuen Domizil rauscht der Bach glucksend und schäumend zwischen moosgrünen Felsen, mächtigen Buchen, Fichten und Tannen dahin, zerrt übermütig an welken Brombeerranken, wäscht altes Laub vom Ufer fort. Noch zieht der Hauch des Winters durch die Klamm – Dunstschlieren weben um die Felsen, die Feuchtigkeit lässt sich mit Händen greifen, die Erde ist kalt und hart. Für all das hat der kleine Singvogel jetzt keine Augen. Denn es liegt etwas in der Luft, das ihn zur Eile treibt – der Frühling!

Anfang März wird´s lebendig im Polenztal. In der Natur beginnt ein Wettstreit um die besten Brut- und Futterplätze. Die Wasseramsel muss sich mit dem Nestbau sputen. Noch ist sie nicht ganz fertig. Unruhig hüpft der Piepmatz am Bachufer herum, hält kurz inne mit schräg gelegtem Kopf, als würde er auf etwas lauschen, taucht dann wie ein Blitz ins Wasser, bleibt spurlos verschwunden, um nach einer kleinen Ewigkeit plötzlich ganz woanders wieder aufzutauchen – den Schnabel voll mit dünnen Zweigen und anderem Baumaterial.

Peter Jäger schwört, dass die Amsel unter Wasser genauso emsig rumwuselt wie am Ufer. Sie spaziert auf dem Grund des Baches herum, auf der Suche nach Larven und anderen interessanten Dingen, manchmal dreht sie dabei sogar kleine Steine um. Wie die Amsel das macht, hat Peter Jäger gelesen – aber noch nie selbst beobachtet. Sie stellt ihr Schwanzgefieder so gegen die Strömung, dass sie vom Wasser nach unten gedrückt wird. 60 Gramm Lebendgewicht gegen einen reißenden Gebirgsbach. Peter Jäger hatte in seinem Berufsleben genügend Gelegenheit, über die Geschicklichkeit der Vögel zu staunen – 28 Jahre als Ranger bei der Nationalparkwacht. Das Polenztal war sein Revier. Und im Frühling hat er sich dort so manches Mal kalte Füße geholt, bei der Suche nach ihren Nistplätzen. Die Gelege wurden gezählt, die Nester kartiert, die Daten gemeldet und ausgewertet. Denn die Wasseramsel steht in Sachsen unter Beobachtung. Einst hatten ihr Abwässer aus Industrie und Landwirtschaft und verbaute Ufer das Leben schwer gemacht. Dank Umweltschutz geht´s vielen Flüssen heute besser – und damit auch der Amsel. Im Nationalpark waren es zuletzt 20 bis 25 Brutpaare jährlich, in der ganzen Sächsischen Schweiz etwa 45.

Gut versteckt: das Nest der Wasseramsel. (Foto: H.Landgraf)

An der Polenz ist die Welt für den kleinen Sänger in Ordnung. Teile des Tals standen schon früher unter Naturschutz. Heute im Nationalpark achten die Kollegen von Peter Jäger darauf, dass der Vogel sich ungestört um seinen Nachwuchs kümmern kann – und bemühen sich um Verständnis für ihn. Vier bis fünf Amselpaare finden hier jedes Jahr Platz zum Brüten. Was die Wasserqualität anbelangt, ist noch immer Luft nach oben. Wo Abwässer oder Düngemittel in den Bach gelangen, gedeihen Algen und Wasserpflanzen. Die Amsel braucht klare Bäche, in denen man bis auf den Grund sehen kann – das sind ihre idealen Jagdgründe. Doch verglichen mit anderen Flüssen in Sachsen sei die Polenz auf einem guten Weg, sagt Kerstin Jenemann vom Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. Besonders das Artenspektrum der kleinen Bachorganismen stimmt die Ökologen optimistisch. Im Wasser sind die Larven von Köcher-, Stein-, und Eintagsfliege allenthalben zu finden.

Das freut auch die Wasseramsel. So kriegt sie ihren Nachwuchs satt. Unauffällig wie ein Moosballen klebt ihr Nest an einer grün bepelzten Felswand, knapp einen Meter überm Wasser. Schon bald wird sie zu brüten beginnen – drei bis fünf Eier in der Regel. Gut einen halben Monat lang sitzt das Weibchen dann auf dem Gelege, fleißig mitversorgt vom Männchen, das in den Morgen- und Nachmittagsstunden pfeilgeschwind mit bis zu 50 km/h über die Polenz schwirrt und nach Beute jagt. Sind die Jungen erst geschlüpft, dauert es noch etwa 20 Tage, bis sie das Nest verlassen. Für die Amsel vergeht der Frühling wie im Flug.

Peter Jäger hingegen hat Zeit. Er ist Rentner. Versonnen steht er am Ufer, schaut der Amsel zu und lauscht dem Rauschen der Polenz. Und plötzlich sagt er, so als würde er all die frühlingshafte Betriebsamkeit nicht bemerken: „Die Ruhe hier ist das Schönste!“

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