Auf stillen Wegen ins Polenztal

Märzenbecher, dahinter eine Fotografin
Showtime im Polenztal - die Märzenbecher sind draußen. (Foto: Hartmut Landgraf)

Jedes Jahr lockt ein Naturschauspiel Tausende Menschen in die Sächsische Schweiz: die Märzenbecher-Blüte im Polenztal. So gelangst du am Trubel vorbei zu den Frühlingsboten.

Die Polenz ist zweifellos einer der schönsten Wildbäche Sachsens – und ein Refugium seltener Tier- und Pflanzenarten. Wer im Frühling ein Stück an ihrem Ufer entlangwandert, merkt schnell warum sie so viele Bewunderer anlockt. Frei von künstlichen Mauerkorsetts und anderen Zwängen vagabundiert sie durchs Elbsandsteingebirge, springt ungestüm über Steine und Blöcke – oder zieht leise singend durch ganze Wiesen voller Märzenbecher! Jedes Jahr lockt die Blütezeit der Frühlingsboten Tausende Menschen in die Sächsische Schweiz. Und deshalb kann es für Leute, die das berühmte Naturschauspiel ohne viel Trubel genießen wollen, durchaus Sinn machen, zuerst ein Stück vom Bach weg in die Berge zu wandern.


Elbsandstein-Touren | Reisereportagen


Touren-Serie in Koorperation mit dem Tourismusverband Sächsische Schweiz

Oberhalb vom Polenztal wartet der Hohnsteiner Rundweg auf dich. Du bist auf stillen Waldwegen unterwegs, wanderst vorbei an berühmten Felswänden, märchenhaften Grotten und Winkeln, zunächst Richtung Brandaussicht, steigst dann durch den Schulzengrund ab und gelangst schließlich nach einer Drei-Stunden-Tour vom ruhigen Ende des Tals zu den Märzenbechern. In den Abendstunden hast du sie mit etwas Glück sogar ganz für dich allein!

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Kurzbeschreibung:

Hohnsteiner Rundweg (grüner Strich, Lehrpfad) bis zur Brandstraße, dieser folgend bis zur Aussicht, später durch den Schulzengrund (roter Strich) ins Polenztal und am gegenüberliegenden Ufer stromaufwärts (roter Punkt) zurück Richtung Hohnstein. Für den Auftieg in die Stadt empfiehlt sich der Pfad durch den Schindergraben (blauer Strich).

  • Distanz 13,7 Kilometer
  • 463 Höhenmeter
  • Wanderzeit ca. 5 h
  • Charakter: leicht
  • Einkehrmöglichkeiten: Brand-Baude, Waltersdorfer Mühle, Gasthaus Polenztal
  • Parkplätze: am Markt oder am Klärwerk Hohnstein

ÖPNV:  Linie 237 Pirna-Sebnitz über Hohnstein, Fahrplaninfos: www.ovps.de


Route GPX-Download
Hier könnt ihr euch mit einem Klick die Route direkt aufs Smartphone laden. Vor dem Download bitte eine Outdoor-App installieren, z.B. outdooractive oder komoot.

Zusätzliche Tipps und Abstecher

Foto: Hartmut Landgraf

Ritterstiege (auch Riesenstufe genannt)

Etwa 400 Meter hinter den letzten Häusern von Hohnstein am Abstieg in den Schindergraben steigt eine verfallene Sandsteinmauer am Hang hinauf – Reste eines Freigeheges, in dem im 17. Jahrhundert Bären gehalten wurden (siehe weiter unten). Ein Stück oberhalb der Mauer führt eine romantische Felsentreppe bis hinauf aufs Plateau: die sogenannte Ritterstiege. Die Aussicht, die sich von dort hinüber zur Burg und in die umliegenden Gründe bietet, fand schon Götzinger 1804 in seiner vielzitierten ersten Reisebeschreibung zur Sächsischen Schweiz erwähnenswert. Der kleine Abstecher kostet keine 10 Minuten – und er lohnt sich. Trittsicherheit erforderlich!

Foto: Hartmut Landgraf

Gautschgrotte

Von den Mauerresten des Bärengartens gelangt man nach einem knappen Kilometer und einer scharfen Linkskurve um die Nordwestecke des Großen Halben in eine enge Schlucht – das Kalte Loch. Bei einer Lehrtafel zweigt hier ein kleiner Pfad vom Hauptweg ab, an seinem Ende öffnet sich ein beeindruckender Felskessel: die Gautschgrotte. Benannt ist sie nach dem Heimatforscher Carl Friedrich Constantin Gautsch. Eingeschlossen von 40 Meter hohen, überhängenden Wänden, an denen in manchen Wintern ein herabrieselnder Quell zu einer mächtigen Eissäule gefriert, wirkt sie so erhaben und gewaltig wie das Innere eines Doms – auch akustisch.

Foto: Hartmut Landgraf

Sanddünen im Schulzengrund

Vor rund 90 Millionen Jahren verlief ein Stück südlich von Hohnstein eine Meeresküste. Die Sächsische Schweiz war damals von Wasser bedeckt, ganz Mitteleuropa eine Welt aus kleinen Inseln in einem kreidezeitlichen Ozean. Eine dieser Inseln – die heutige Lausitz – grenzte mit ihrem südlichen Zipfel ungefähr in der Höhe des Brandgebiets ans Meer. Wer im Schulzengrund linker Hand auf die Felswände achtet, kann darin Strukturen erkennen, wie man sie von windgepeitschten Sandstränden kennt. Und tatsächlich halten Geologen diese auffällige Schichtung für die Überreste urzeitlicher Dünen.

Foto: Hartmut Landgraf

Wolfsschlucht

Vom Gasthof Polenztal lohnt sich der Abstecher zum Hockstein (Abzweig etwa 400 Meter talaufwärts vom Gasthof). Im Mittelalter befand sich auf dem Felsen eine Burgwarte – das Besondere aber ist der Zugang über die Wolfsschlucht, eine enge Felskluft durch die man über Treppen zur Aussicht gelangt. Carl Maria von Weber soll der verwinkelte Tunnel zur berühmten Wolfsschlucht-Szene im „Freischütz“ inspiriert haben. In sonnigen Morgenstunden leuchten die Steilwände der Schlucht in goldenen Farben. Oben angekommen, hat man einen herrlichen Blick aufs Polenztal und die gegenüber liegende Burg Hohnstein.

 

Foto: Hartmut Landgraf

Bärengarten

Der sogenannte Bärengarten befindet sich in einer Senke unterhalb des Hohnsteiner Burgfelsens. Auf dem Weg durch den Schindergraben kommt man an den Mauerresten eines jahrhundertealten Freigeheges vorbei, in dem einstmals Bären gehalten wurden. Wilhelm Leberecht Götzinger schreibt darüber: „Den Bärengarten ließ im Jahre 1609 Kurfürst Christian II. anlegen, wozu die damals noch in den hiesigen Wäldern einheimischen Bären Veranlassung gaben. Es war ein eigenes Vergnügen der Fürsten, auf diese Tiere Jagd zu machen, und da der tiefe Grund hinter dem mittleren Schlosse schon durch die Natur durch hohe Wände eingeschlossen war, und nur seine schmalen Öffnungen durch hohe Mauern noch geschlossen werden mussten, übrigens auch ein Wässerchen durchfloss, und die hier angrenzende Scharfrichterei auch oft Luder zum Fraß für diese Tiere liefern konnte, so wurde dieser Grund zu einem Aufenthalte für die lebendig gefangenen Bären eingerichtet.“


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Täler sind am schönsten, wenn man sie von oben anschaut. In den Ohren eines Bergsteigers klingt diese These sicherlich logisch – im Elbsandsteingebirge trifft sie aber so pauschal nicht zu. Denn die zerklüftete Felslandschaft ist unten herum mindestens genauso reizvoll wie oben, und mancher tageslichtscheue Grund trägt sogar mehr zum romantischen Charakter und Ruf dieser Landschaft bei als ihre stolzesten Gipfel. Der Uttewalder Grund gehört dazu. Die Edmundsklamm in der Böhmischen Schweiz. Und ganz besonders: das Polenztal.

Wer im Frühling ein Stück am Ufer des gleichnamigen Bachs entlangwandert, merkt schnell warum er so viele Bewunderer anlockt. Frei von künstlichen Mauerkorsetts und anderen Zwängen vagabundiert er durchs Tal, springt über Steine und Blöcke, zerrt übermütig an welken Brombeerranken, wäscht altes Laub vom Ufer fort. Und zeigt stolz und fröhlich wie ein Kind seine Schätze, die darunter zum Vorschein kommen – ganze Wiesen voller Märzenbecher! Jedes Jahr lockt das berühmte Naturschauspiel Tausende Menschen in die Sächsische Schweiz. Und deshalb kann es für Leute, die es ohne viel Trubel genießen wollen, eben durchaus Sinn machen, zuerst ein Stück in die Berge hinauf zu wandern.

Am besten du startest in Hohnstein. Und Eines gleich vorweg: Da oben sieht man nicht viel von den Märzenbechern. Aber dafür hat das Polenztal über sich einen schönen und ruhigen Begleiter: den Hohnsteiner Rundweg. Auf ihm durchwandert man die Schlucht und ihre Seitenarme auf halber Höhe wie auf einer Terrasse, vorbei an mächtigen Wänden und malerischen Winkeln, an denen die Gebrüder Grimm ihre helle Freude gehabt hätten. Übrigens auch die Liebhaber der Seifenoper. Denn zwischen dem Rundweg und seiner Empore läuft es die ganze Zeit wie in einer lang andauernden Beziehungskiste. Erst liegt er dem Hohnsteiner Burgfelsen zu Füßen, lässt dann den Ritterfelsen ziemlich rüde links liegen, umwindet und umgarnt stattdessen den Großen und Kleinen Halben, später Drachenkopf und Riesenechse und steigt dabei über fünf Kilometer immer weiter bergan seinem dramatischen Wendepunkt entgegen – der Brandaussicht.

Unterwegs merkt man schnell, woher die Polenz nach dem Winter ihre Kraft nimmt und wie nah die als trocken bekannte Sandsteinlandschaft in Wirklichkeit am Wasser gebaut ist. Überall tropft es hier von den Wänden, sickert durch Höhlen und Grotten, mäandert und fließt durch Schluchten und Gründe immer eiliger bergab, bis es schließlich die Talsohle erreicht. Wer die Poesie von Wasser mag, sollte die Gautschgrotte und Diebshöhle nicht verpassen – beide sind im Frühling ein wunderschönes Klangerlebnis! Und ganz nebenbei schwimmt man auf diesem Weg zeitlich gegen den Strom. Denn zu den Märzenbechern wollen wir ja erst ganz zuletzt, und zwar zu einer Tagesstunde, wenn die meisten das Polenztal schon wieder verlassen haben. Vorher kommt nach gut zwei Stunden, acht Kilometern und all dem Wasser erstmal ein Bier in der Brandbaude – und zwar wie gerufen!

Die Panoramaaussicht am Gasthaus ist zweifellos eine der schönsten und eindrucksvollsten in der Sächsischen Schweiz: 180 Grad freie Sicht – von der Schrammsteinkette im Osten bis zur Bastei im Westen. Nach der verdienten Pause geht es fokussiert und hoffentlich festen Schritts durch den Schulzengrund hinunter zur Waltersdorfer Mühle, wo die Polenz einen klammartigen Talabschnitt verlässt und von weitem schon die ersten Märzenbecher leuchten. Die Sonne steht inzwischen ziemlich tief und taucht die alte Mühle und die Felsen in ein weiches, ockerfarbenes Licht. Und tatsächlich: das Polenztal ist menschenleer. Was jetzt kommt, erlebt man für sich allein auch wirklich am intensivsten: Stromaufwärts leuchten am rechten Ufer kleine Wieseninseln mit Abertausenden von Märzenbechern. Dazwischen sprudelt die Polenz graugrün in ihrem Bett, sammelt sich schäumend in tiefen Gumpen – spritzt und quirlt alsbald wieder daraus hervor, um mit befreiter Kraft zwischen Eichen, Erlen und Fichten singend von dannen zu ziehen. Wenn man sehr genau zuhört, wird man Teil dieser Melodie. Es ist, als ob gleichsam innen und außen ein Bach rauscht. Die Zeit kommt zum Stillstand, und mit seiner duftigen, wunderbaren Kraft tritt das Jetzt ins Bewusstsein – das Leben. Und der Frühling.

 

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