Filmreif durchs Wildensteiner Gebiet

Mann auf Felsvorsprung vor Bergkulisse
Absolut filmreif - die Landschaftskulisse der hinteren Sächsischen Schweiz. (Foto: Dana Landgraf)

Kate Winslet, Tom Hanks, Brad Pitt – sie alle waren schon in der Sächsischen Schweiz. Was hat diese Landschaft, das Filmcrews so unwiderstehlich finden? Ein cineastischer Wandertipp.

Vor ein paar Jahren verwandelte ein Filmteam eine Schlucht in der Sächsischen Schweiz für zehn Tage in eine mystische Schwarzwald-Kulisse – die es so nie gegeben hat. Mit gewaltigem Aufwand – teilweise arbeiten über 150 Leute am Set – wurde im Elbsandstein eines der schönsten deutschen Märchen für die Kinos neu inszeniert: Das Kalte Herz.


Elbsandstein-Touren | Reisereportagen


Touren-Serie in Koorperation mit dem Tourismusverband Sächsische Schweiz

„Solche Orte habe ich nirgendwo sonst in Deutschland gesehen“, sagt Regisseur Johannes Naber später im Interview mit dem Sandsteinblogger (>>hier zum Nachlesen). Naber und seine Crew sind bei Weitem nicht die Einzigen, die den Reiz der Felsenwelt als Filmkulisse erkannt haben. Im Schnitt gehen jedes Jahr bis zu 80 Dreh-Anfragen bei der Nationalparkverwaltung ein – vom Werbefilm über Reisereportagen und Bloggertouren bis hin zu Fernsehproduktionen und Kinofilmen. Auch Hollywood war schon mehrfach vor Ort.

Die Sächsische Schweiz hat ganz offensichtlich etwas, was Filmleute geradezu unwiderstehlich finden. Bei einer Wanderung durchs Wildensteiner Gebiet bekommt man eine Ahnung davon. Ein Tourentipp für Leute, die es dramatisch mögen.

Links: Drehstart zur Heimatfilmreihe „Der Ranger“ mit Philipp Danne als Nationalparkranger Jonas Waldek (Mitte). Rechts: Die Wirtsleute der Buschmühle Stefan Gernert und Andrea Bensch mit Requisiten für den Kinofilm „Der Vorleser“. (Fotos: MDR/Hartmut Landgraf)
Zum Tour-Report aufs Bild klicken!

Kurzbeschreibung:

Raubritterburgen, alte Mühlen – und herrliche Aussichten, das verspricht eine Wanderung im Wildensteiner Gebiet. Nicht umsonst wird die Gegend immer wieder zum Drehort von Filmproduktionen – zuletzt „Der Ranger“ mit Philipp Danne. Von der Buschmühle im hinteren Kirnitzschtal geht´s mit dem gelben Strich zur ehemaligen Raubritterburg auf dem Arnstein. Viel ist davon aber nicht mehr übrig: nur die Zisterne und ein paar Treppen und Balkenpfälze. Von dort folgt die Tour dem Malerweg (roter Strich) zum Kleinstein (ein Abstecher zur Kleinsteinhöhle empfiehlt sich – 5 min vom Hauptweg), dann absteigend und über ein kurzes Stück Straße bis zur Mühlenschlüchte (grüner Strich). Dort geht es bergauf und über stille Wege und Pfade durchs „Hinterzimmer“ der Sächsischen Schweiz bis zur Aussicht auf dem Großen Pohlshorn (ca. 30 min). Kurz vor dem Gipfelplateau weist die grüne Markierung links bergab – dort müssen wir runter ins Kirnitzschtal. Holzbrücke! Am gegenüberliegenden Ufer führt der Weg straff bergauf Richtung Teichstein. Das letzte Stück zieht sich ein bisschen, belohnt dafür aber mit herrlichen Aussichten Richtung Thorwalder Wände und ins Zschandgebiet. Anschließend steigen wir auf dem E-Flügel zum Zeughaus ab – und gelangen auf der Zschandstraße zur Neumannmühle und ans Ende der Tour.

  • Distanz 12,4 Kilometer
  • 500 Höhenmeter
  • Wanderzeit ca. 4:30 h
  • Charakter: schwer
  • Einkehrmöglichkeiten: Buschmühle, Neumannmühle, Zeughaus
  • Parkplatz: an der Neumannmühle
  • ÖPNV: Linie 241 Pirna-Hinterhermsdorf über Königstein und Bad Schandau, Fahrplaninfos: ovps.de

Route GPX-Download
Hier könnt ihr euch mit einem Klick die Route direkt aufs Smartphone laden. Vor dem Download bitte eine Outdoor-App installieren, z.B. outdooractive oder komoot.

Zusätzliche Tipps und Abstecher

Felsmassiv mit Höhleneingang
Kleinsteinhöhle, vom Pohlshorn aus. (Foto: Landgraf)

Mit Kindern spannend – die Kleinsteinhöhle

Nach dem Kuhstall ist die Kleinsteinhöhle das zweitgrößte Felsentor in der Sächsischen Schweiz – ungefähr 10 x 10 Meter groß. Schon 1820 von Ludwig Richter in einer Radierung verewigt, zieht die eindrucksvolle Höhle bis heute Wanderer und Fotografen gleichermaßen in ihren Bann. Besonders spannend ist sie für Kinder! Vom nahegelegenen Parkplatz gelangt man bequem in zehn bis 15 Minuten hinauf zu ihrem Eingang. Wer der Tourenbeschreibung von der Buschmühle aus folgt, kann die Höhle ohne große Umwege in seine Wanderung integrieren – vom Malerweg fünf Minuten bergauf.

Felslandschaft mit Tafelbergen
Blick vom Kl. Pohlshorn zum Lilienstein. (Foto: Landgraf)

Fotografisch interessant – Kleines Pohlshorn

Als Aussichtspunkt nicht so prominent und spektakulär wie sein Namensvetter, immerhin aber etwas höher und fotografisch eine Welt für sich: das Kleine Pohlshorn (417 Meter). Auf seinem Gipfelplateau hat man zwar nur in eine Himmelsrichtung freie Sicht, dafür aber mehr als 20 Kilometer weit bis zum Lilienstein und darüber hinaus – mit einem guten Teleobjektiv ist diese Perspektive besonders in den Abendstunden durchaus spannend. Auf dem Großen Pohlshorn ist das Panorama dafür weiter, in der Tiefe jedoch begrenzt. Der Lilienstein wird hier zum Beispiel vom Heulenberg verdeckt. Wer auf dem Malerweg wandert, kommt ohnehin am Kleinen Pohlshorn vorbei – der Abstecher dauert keine fünf Minuten und lohnt sich auch ohne Kamera.

Sonnenaufgang über Felslandschaft
Sonnenaufgang auf dem Winterstein. (Foto: Landgraf)

Mittelalterliche Felsenburg – der Winterstein

Der Winterstein (auch Hinteres Raubschloss) gehört zweifellos zu den interessantesten Felsmassiven in der Hinteren Sächsischen Schweiz. Auf dem Gipfelplateau sind Fundamentreste einer mittelalterlichen Burganlage erhalten, bis Mitte des 15. Jahrhunderts gehörte der Felsen dem böhmischen Adelsgeschlecht der Berken von Dubá, die seinerzeit über weite Teile Nordböhmens und die heutige Sächsische Schweiz herrschten. Seine einstigen Besitzer machten immer wieder durch Raubüberfälle von sich reden und wurden schließlich von den Wettinern aus der Region verdrängt, ihre Felsenburgen wurden belagert und zerstört. Nicht nur Geschichtsfreunden, sondern auch Fotografen hat der Winterstein einiges zu bieten. Wer hinaufsteigen möchte, sollte allerdings trittsicher und schwindelfrei sein – nach oben geht´s über eine ausgesetzte Eisenleiter und einen schmalen Felstunnel.


Tour-Report


Zurück zur >>> Kurzbeschreibung

Johannes Naber war von allen Filmemachern, die sich in der Sächsischen Schweiz zuletzt die Klinke in die Hand gaben, vielleicht derjenige mit dem besten Motiv hier zu drehen: „Wir wollten dem Wald das Magische zurückgeben“, sagte der Regisseur im Interview mit dem Sandsteinblogger (>>> hier zum Nachlesen). Naber sprach vom Schwarzwald, gemeint war ein romantischer und mystischer Schwarzwald, wie es ihn in der Realität schon lange nicht mehr gibt – und eben darum kamen der Regisseur und seine Crew ins Elbsandsteingebirge. Hier hofften sie ein paar entscheidende Drehorte für die Neuverfilmung eines der schönsten deutschen Märchen zu finden: Das Kalte Herz. Orte, von denen Naber später sagt, er habe nirgendwo in Deutschland etwas Vergleichbares gesehen.

Das fanden andere auch: Cloud Atlas, Inglourious Basterds, Grand Budapest Hotel, Die Chroniken von Narnia – die Liste der Filme, die zum Teil im Elbsandsteingebirge gedreht wurden, ist lang. Es ist nur zu offensichtlich: Die kleine Felsenwelt an der Elbe verspricht das ganz große Kino! Warum? Eindrucksvolle Landschaften gibt es überall. Was haben die sächsischen Berge, das Filmproduzenten so unwiderstehlich finden? Wo kann man es sehen oder spüren? Auf welchem Gipfel, in welcher Schlucht? Wohin müsste man – wandern?

Genau darum geht´s: Schlüpfen wir für einen Moment in die Rolle eines Location-Scouts und betrachten die Sächsische Schweiz mit seinen Augen. Dann müsste unsere Suche nach guten Drehorten eigentlich da beginnen, wo sich Schauspiel und Natur schon seit Langem dieselbe Bühne teilen: auf der Felsenbühne Rathen. Stattdessen wandern wir am entgegengesetzten Ende des Gebirges los: an der Buschmühle im hinteren Kirnitzschtal – schließlich gibt´s im Elbsandstein noch einiges mehr anzuschauen als Felsen und Schluchten. 2008 wurde Hollywood auf das urige Gasthaus aufmerksam. Ein Produktionsteam nahm die Kneipe ganze vier Wochen lang für eine kurze Szene im Kinofilm „Der Vorleser“ in Beschlag. Zu diesem Zweck mussten die eben frisch gestrichenen Wände wieder alt und schäbig aussehen. Die Mühle wurde kurzerhand erneut überpinselt – schwarz. Gastwirt Stefan Gernert stöhnt noch heute beim Gedanken daran. Eine Riesensauerei. „Die Farbe ging hinterher einfach nicht mehr ab“, sagt er. Doch dafür saß in den Drehpausen Kate Winslet in seiner Küche. Etliche Kneiper in der Sächsischen Schweiz hätten sicher gerne mit dem Buschmüller getauscht.

Hundert Meter weiter, an der Kreuzung nach Ottendorf, steigt ein lauschiger Pfad den Hang hinauf (gelb markiert) zum Arnstein. Hier könnte man ein ganz anderes Genre bedienen. Auf dem einsamen Felsgipfel erinnern die Überreste einer alten Zisterne, Balkenpfälze und Sandsteintreppen an eine dunkle Zeit vor 600 Jahren, als Reisende noch einen möglichst weiten Bogen um die hinteren Teile des Elbsandsteingebirges machten – aus Angst vor Raubüberfällen. Heute sind Buchfinken, Spechte und Amseln die einzigen Wegelagerer. Der Wald bietet hier zunächst nicht viel Aufregendes, die Gedanken sind den Füßen ein kleines Stück voraus. Plötzlich leuchtet es rechts zitronengelb. Eine dahinvegetierende Wand, über und über von Schwefelflechte besiedelt. Aus Spalten und Klüften quillt Adlerfarn und Heidelbeergestrüpp. Eine Kiefer kämpft in einem Riss um ihr verkorkstes bisschen Leben. An einer Stelle schimmern spinatgrüne Wasserspuren unter einem Augenloch – als würde der Felsen sein eigenes Schicksal beweinen.  Die Natur braucht wenig Schminke für ihre Dramen.

Vom Arnstein führt der Malerweg (roter Strich) weiter Richtung Kleinstein, dann runter zur Straße und über ein paar Hundert Meter Asphalt bis zur Mühlschlüchte auf der gegenüberliegenden Seite des Tals (grüner Strich). Dieser folgend gelangt man je nach Kondition in 30 bis 40 Minuten auf einen der besten Logenplätze in der hinteren Sächsischen Schweiz: zur Aussicht auf dem Großen Pohlshorn. Mit einem Mal treten die Kiefern und Birken zur Seite und machen einer atemberaubenden Landschaftskulisse Platz. Direkt voraus: der höckerartige Rücken des Teichsteins mit seiner steilen, oft nebelverhüllten Nordflanke. Dahinter tut sich ein ganzes Kolosseum aus abenteuerlichen Felsen und Bergrücken auf: Bärfangwände, Böses Horn, Sommerwand, Hochhübel. Links die schier uferlosen Wälder im Gebiet des Raumbergs. Eine Szenerie, wie geschaffen für Balladen über die Wildnis – Lederstrumpf, The Revenant oder die Legende von Tarzan. Drei Filme, die mal ausnahmsweise nicht im Elbsandstein gedreht wurden – vielleicht aber nur deshalb nicht, weil ganz weit im Nordosten die Dächer von Saupsdorf wie in einer lieblichen Heimat-Schmonzette im Sonnenlicht blinken. Aber das tut der Illusion kaum Abbruch.

Sogar der Himmel spielt mit. Er nimmt allmählich eine seltsame Farbe an, das Panorama verändert sich. Mit einem Mal erscheint die Landschaft zum Greifen nah, alle Kontraste sind gestochen scharf, alle Farben beginnen zu leuchten. Im Südosten baut sich eine violette Wolkenbank in weniger als einer halben Stunde zu epischer Größe auf, nimmt hinter den Pohlshörnern Stellung und kündigt Ärger an. Der liegt auch bald buchstäblich in der Luft – sie ist süß und schwer, drückend und unheilvoll. Aus dem böhmischen Becken zieht ein dumpfes Grollen herauf, wie ferner Trommelwirbel aus einem unsichtbaren Orchestergraben.

Bis hinüber zum Teichstein liegt noch eine Stunde Weg vor uns: erst steil bergab zur Brücke über die Kirnitzsch und dann auf der anderen Seite Richtung Zeughaus wieder ebenso straff bergauf (grüner Strich). Hier betreten wie Ranger-Land! Nicht nur, weil die Nationalparkverwaltung unten am Zeughaus einen ihrer Dienstposten hat, sondern weil hier im vergangenen Jahr die ersten beiden Pilotfolgen für die neue ARD-Heimatfilmstaffel „Der Ranger“ mit Philipp Danne gedreht wurden. Es geht um wilde Herzen in romantischer Natur – ganz klar: man hätte dafür nördlich der Alpen und abseits vom Gruberhof (Der Bergdoktor) wohl keinen besseren Drehort finden können als das Zeughaus.

Die Sächsische Schweiz braucht aber fürs ganz große Drama nicht mal Regieanweisungen, nur ein bisschen Wetter. Beim Abstieg vom Teichstein – der Weltuntergang, urplötzlich! Binnen Minuten entlädt sich die gesamte über den Nachmittag aufgebaute Spannung auf einer Fläche von nur wenigen Quadratkilometern in einem brachialen Gewitter. Das Inferno richtet sein Mündungsfeuer genau auf den Großen Zschand und lässt es ordentlich krachen. Die Bäume ächzen und biegen sich im Sturm, Hagelkörner peitschen aufs Riff, der Regen kommt in Bindfäden vom Himmel, aus allen Geländemulden schießen Sturzbäche ins Tal.

Zum Glück kommt auch bald Land in Sicht: die Neumannmühle! Hier ist die Wanderung zu Ende. Und spätestens bei der vergeblichen Suche nach dem letzten trockenen Faden am Leib wird einem klar: Das Elbsandsteingebirge spielt nicht, es ist einfach von Natur aus filmreif. Es hat – Talent! Regisseure spüren das instinktiv. Für sowas gibt´s kein Drehbuch.

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