Von Zweig- und Schlüsselstellen

Felsen im Elbsandsteingebirge
Einer der höchsten Felsen im Bielatal: der Spannagelturm. (Fotos/Montage: Sven Legler, Bernd Arnold/sandsteinblogger.de)

Die Bruchholzkante am Spannagelturm zählt zu den großen, traditionsreichen Klettereien im Elbsandstein. Aber auch amüsante Insider-Geschichten ranken sich um diesen Weg – wie die Erfindung eines ursächsischen Kletterwerkzeugs: des Stöckchens.

Text: Bernd Arnold

Viele, die im Elbsandstein klettern, fahren immer wieder gerne ins Bielatal. Dafür gibt es natürlich gute Gründe: seine 249 Gipfel, die vielen leichten und mäßig schwierigen Routen in guter Felsqualität, die besondere Eignung dieses Gebiets für Familien mit Kindern und seine leichte Erreichbarkeit. Gründe genug, warum das Bielatal das am häufigsten besuchte Klettergebiet der Sächsischen Schweiz wurde.

Die Bruchholzkante am Spannagelturm (Foto: Bernd Arnold)

Allerdings, auch ohne den Klettersport erlangte diese bizarre Felsenwelt schon früh Bedeutung – nämlich für den Tourismus. Bereits 1837 gab es hier das Kurbad Schweizermühle, eine Kaltwasserheilanstalt. Die noch heute vorhandenen Aussichtspunkte und Stiegen gehen auf diese Zeit zurück.

Beim Klettern landen wir wieder bei den Anfängen. Oscar Schuster schrieb im Herbst 1890: „Meine ersten Touren in der Sächsischen Schweiz spielten sich in dem Gebiet um den Friedrich-August-Stein bei der Schweizermühle im Bielatale ab. Es handelte sich hier teilweise nicht um Neubesteigungen von Türmen, sondern größtenteils um Begehung von Wänden.“ Ohne das Kurbad Schweizermühle wäre Schuster wohl kaum ins Bielatal gekommen, denn sein Vater weilte hier zum Kuraufenthalt. In diesem Zusammenhang ist natürlich auch der „Schusterturm“ zu nennen. 1893 erstes Gipfelbuch in der Sächsischen Schweiz, erst danach folgten Mönch und Sommerwand.

Gegenwärtig erlangt das Klettergebiet durch das zeitgemäße Pilotprojet „Johanneswacht“ zusätzlich an Interesse – durch nachträgliche Ringe sollen dort wenig begangene Routen belebt werden. Wir können gespannt auf das Ergebnis sein… Zu hoffen wäre, dass der Gedanke der „Freiheit“ beim Klettern, den wir ja alle so wertschätzen, hierbei seine Umsetzung erfährt und jeder Aktive in der Vielfalt seinen „Kletterhimmel“ finden kann.

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Spannagelturm, Alter Weg – Fracksausen an der Schlüsselstelle

Meine erste Kletterfahrt ins Bielatal liegt fast 60 Jahre zurück: Das war 1961 mit dem Sonderbus, eine Sektionsfahrt von Dynamo Sebnitz/Bergfreunde Hohnstein, mit vielen leichten Gipfelsiegen: Daxenstein, Mühlenwächter, Zarathustra, Ottostein, aber auch der Chinesische Turm und der Schiefe Turm waren für mich im Nachstieg dabei. Ein Jahr später, diesmal im Beiwagen meines Mentors Adolf Kozemba (die Sektion war inzwischen geschrumpft), kam ich wieder ins Tal. Unser Ziel: der Alte Weg am Spannagelturm, und ich durfte vorsteigen.

Der Spannagelturm erhielt seinen Namen übrigens zu Ehren von Dr. jur. Rudolf Spannagel, Präsident des Österreichischen Touristenklubs (*1886, abgestürzt 1904). Im ersten Kletterführer des Elbsandsteingebirges von 1908 schreibt Rudolph Fehrmann: „Schöner, freistehender Felsturm, einer der höchsten des Gebietes. Der gewöhnliche Anstieg bietet schwierige, sehr anregende Wandkletterei, der Weg über die Nordwestkante zählt zu den schwersten und bedenklichsten Unternehmungen in der Sächsischen Schweiz…“

Der Alte Weg geht in der Südostseite über Rissfolgen zuerst auf einen Pfeiler, die Südkante weiter zu einem großen Absatz und schließlich über Wandstufen zum Gipfel (Wegbeschreibung s.u.). Drei Züge am Beginn der Kante bilden die Schlüsselstelle. Etwas kurzgeratene Kletterer werden es merken. Für diese ist die Knotenschlinge am Absatz eine gute moralische Unterstützung. Bei meinem ersten Vorstieg traute ich mir diese Stelle erst, nachdem sich mein Mentor hinter mir in Position gebracht hatte, um mich notfalls zurückzuholen.

Mann auf Feslen im Elbsandsteingebirge
Bernd Arnold nach einer Solo-Begehung der Bruchholzkante auf dem Gipfel des Spannagelturms. (Foto: Archiv B. Arnold)

Spannagelturm, Bruchholzkante – Die Sache mit dem Kiefernzweig

Von allen Routen an diesem Turm ist wohl die „Perrykante“ historisch gesehen am gehaltvollsten (weil erste VIIb) und für alle daran Interessierten ein Muss. Mein persönlicher Favorit ist jedoch die „Bruchholzkante“, mit ihrer Linie und vom klettertechnischen Anspruch her.

1963 sollte es nun diese Kante sein. Mit meinem neuen Seilgefährten, Dietmar Ißle, einem kräftigen Schmiedelehrling aus Ehrenberg, glaubte ich dafür bereit zu sein. Damals hatte ich schon voller Ehrfurcht einer Begehung zugeschaut und wusste somit um die mögliche Absicherung. Allerdings, oben beim Fädeln der wichtigen Sanduhr verzweifelte ich fast, meine Schlinge wollte der Sanduhröffnung nicht folgen. Erst ein heraufgezogener Kiefernzweig brachte Abhilfe. Ab 1964 gehörte das Stöckchen dann zu meiner ständigen Ausrüstung – zunächst in Form von Holzfederhaltern, welche ich mir im Zehnerpack aus dem Schreibwarenladen besorgte, später bekam ich dann von Willy Häntzschel, der Tischler war, gute selbstgefertigte aus Escheholz. Heute, für jeden Kletterer ein nicht mehr wegzudenkendes Hilfsmittel beim verlässlichen Anbringen von Sicherungsschlingen.

Jüngste Tour – kurz vor Ostern 2019

Um authentisch zu sein brauchte ich kürzlich die Nähe zu diesem Felsen und kletterte vor Ostern mit Gisbert Ludewig (Gisi) zum Gipfel. Dabei „entdeckten“ wir eine ideale Wegkombination: Den Alten Weg zum Pfeiler, auf Bändern nach rechts zum nachträglichen Ring von „Sternchen“ (Stand) und weiter der „Südostwand“ folgen zum Gipfel.

Inzwischen gibt es am Spannagelturm ca. 20 Routen und Varianten, nicht alle sind unbedingt lohnenswert. Hervorzuheben wäre da noch die „Nordostwand“ VIIc; Günter Heinicke, Konrad Lindner, 05.5.1956. Vom Handriss bis zur kleingriffigen Wand, bei mäßiger Absicherung, wird alles gefordert.

Also, der Spannagelturm wartet auf Euch – ein vielseitiges Angebot auf engem Raum!

Bernd

 

 

 

 

Fortsetzung folgt: 14. Juni 2019

*Quellen:

  • Der Bergsteiger in der Sächsischen Schweiz, R. Fehrmann, 1908
  • Die Namen unserer Klettergipfel, H. Pankotsch und D. Heinicke, SBB 2013
  • Kletterführer Band Bielatal, Berg- und Naturverlag Rölke, 2015
  • Personen- und Klublexikon, Kerstin & Michael Schindler, SBB 2014
  • IG Klettergeschichte, Joachim Schindler

Spannagelturm

Alter Weg, IV

Walter Stein, H.Forker, K.Stumpf. 04.6.1905 – In der Südostseite von großem Block links haltend Rissfolge (Knotenschlinge) auf Pfeiler (große Sanduhr – Stand – und Knotenschlinge am Beginn der Kante). Südkante und rechts Rippe (Zackenschlinge und Knotenschlingen) zu großem Absatz (Abseilöse). Kurze Wandstufe z.G.

Bruchholzkante, VIIb (VIIc)

Otto Bruchholz, G. Riedel, K. Liebscher, 24.5.1920 – Dicht links der Ostkante (unterstützt) Wand zu kurzer Rippe (Schlinge) nach rechts, danach wieder an der Kante (Sanduhr) zu überwölbtem Band (Ring). Erst links, dann an der Kante (Sanduhr) z.G.

Anmerkung: Sehr spannend bei der Erstbegehung war das Anbringen des Sicherungsringes: „…Wenig beneidenswert war dort die Ruhemöglichkeit. Aber sie mußte genügen, um einen Sicherungsring anzubringen. Da sich der mitgebrachte Zement als nicht besonders geeignet erwies, eilte ich mit meinem Freund P. zur Ottomühle, um etwas Gips zu erbitten, mit dem wir in kurzer Zeit wieder an Ort und Stelle eintrafen…“ (SBB-Mitteilungen 4/21)

Über die Erstbegeher

Walter Stein

  • geb. 1879/80, Dresden; gest. 1941, Gohrisch
  • Beruf: Büroassistent
  • Mitglied des legendären Klubs „Schwarzer Kamin 04“ (1905),
  • Vorsitzender der Gilde „Zum scharfen Pickel“ (1910),
  • Gründungsmitglied ÖTK Sektion Dresden (1901),
  • DuÖAV (1906-1909), Gründungsmitglied SMH,
  • Bedeutende Erstbesteigungen: Großvaterstuhl (1903), Spannagelturm (1905)

Otto Bruchholz („Zacke“)

  • geb. 1897; gest. 1932, Dresden
  • Beruf: Goldschmied
  • Freie Falken 10 (1914), AKV (1919-1921),
  • bis 1932 SBB-Mitglied: Gipfelbuchausschuss (1920-1925), 2. Vorsitzender, Schlichtungsausschuss (1921),
  • Bedeutende Erstbegehungen: Vorderer Torstein-Bruchholzkante, Spannagelturm-Bruchholzkante (beide 1920)

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