Mit Tunnelblick durchs Kirnitzschtal

Eisentreppe in einer engen Felsschlucht
Die Stiege zum Hermannseck oberhalb der Kirnitzschklamm. (Foto: Hartmut Landgraf)

Die Kirnitzsch und ihre urigen Schluchtwälder bei Hinterhermsdorf sind das wilde Herz des Nationalparks Sächsische Schweiz. Es gibt abenteuerliche Wege, die dort hinein führen – und wieder hinaus.

Es gibt Orte in der Sächsischen Schweiz, die einfach nur still und zufrieden machen: Einer davon ist die wildromantische Klamm der Kirnitzsch bei Hinterhermsdorf. Das schroffe Tal und seine urigen Schluchtwälder gehören zur Kernzone des Nationalparks, standen aber schon lange vor seiner Gründung unter Schutz – inzwischen seit beinahe 60 Jahren.


Elbsandstein-Touren | Reisereportagen


Touren-Serie in Koorperation mit dem Tourismusverband Sächsische Schweiz

Die Natur entfaltet hier auf engstem Raum eine Fülle, die ihresgleichen sucht im Elbsandsteingebirge. Ein Wald wie im Urzustand: Mächtige Tannen und Fichten recken sich aus der Klamm hinaus zum Licht, dazwischen wachsen Hainbuche, Hasel, Bergahorn und Grauerle. Unter moosgrünen Uferfelsen fließt die Kirnitzsch friedlich und still über Blöcke und die samtigen Matten des Haken-Wassersterns. Ein Stück Landschaft mit sich selbst im Reinen. Was dem Leben nicht standhält, verschwindet hier ganz von selbst. Und eben darum ist alles quicklebendig.

Alte Pfade führen über Felstreppen, durch Tunnel und Klüfte mitten hinein in dieses grüne Paradies – und wieder hinaus. Wer solche Wege lieber mag als den Trubel auf der Flaniermeile zur Oberen Schleuse, wandert am besten von der Buchenparkhalle auf der  Zollstraße zuerst ein Stück nach Süden und dann über den Königsplatz, den Tunnelweg und die Rabensteine hinunter ins Kirnitzschtal. Und wenn du am Nachmittag startest, kannst du mit etwas Glück erleben, wie das letzte Tageslicht die Klamm zum Leuchten bringt.

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Kurzbeschreibung:

Von der Buchenparkhalle in Hinterhermsdorf nach Süden über die Zollstraße zum Königsplatz, von dort den Tunnelweg (roter Strich) abwärts zum Hollweg. Ein kurzes Stück nur, dann geht´s von diesem nach links weg und auf unmarkierten Forstwegen durch den Hirschgrund bergauf zu den Rabensteinen. An deren Felskante wieder absteigend Richtung Kirnitzschtalwiesen und später am Bachufer entlang talaufwärts durch die Klamm (blauer Strich) bis zur Wolfsschlucht. Diese über Treppen hinauf zum Abzweig am Hermannseck – dort durch die Kluft aufs Riff und geradewegs zurück zur Buchenparkhalle. Vorsicht: Die Stiege am Hermannseck ist eng und anstrengend, alternativ kommt man auch der blauen Markierung folgend über die Obere Schleuse nach Hinterhermsdorf zurück.

  • Distanz 11,7 Kilometer
  • 349 Höhenmeter
  • Wanderzeit ca. 4 h
  • Charakter: mittel
  • Einkehrmöglichkeiten: Buchenparkhalle und diverse Gasthöfe in Hinterhermsdorf
  • Parkplatz: direkt an der Buchenparkhalle
  • ÖPNV: Linie 241 Pirna-Hinterhermsdorf über Königstein und Bad Schandau, Fahrplaninfos: ovps.de

Route GPX-Download
Hier könnt ihr euch mit einem Klick die Route direkt aufs Smartphone laden. Vor dem Download bitte eine Outdoor-App installieren, z.B. outdooractive oder komoot.

Zusätzliche Tipps und Abstecher

Foto: Hartmut Landgraf

Wenig bekannte Aussicht – die Grünstellige

Nur ein paar Schritte vom Königsplatz entfernt führt ein Pfad vom rot markierten Wanderweg weiter auf die entgegengesetzte Seite des Bergrückens. Dort öffnet sich ein herrlicher, aber wenig bekannter Blick nach Osten – die sogenannte Grünstellige. Eine Aussicht, erschlossen um die Mitte des 19. Jahrhunderts vom Hinterhermsdorfer Revierförster Carl Christian Eduard Voigt, der seinerzeit auch den Königsplatz, den Tunnel Holl und die Wolfsschlucht durch Wanderwege zugänglich machte und so eine wichtige Voraussetzung für den Tourismus in dem Gebiet schuf.

Foto: Hartmut Landgraf

Finde Sachsens größten Baum!

Wer nicht aufmerksam genug um sich schaut, ist schnell dran vorbei gewandert: In der Kirnitzschklamm am Eingang der Wolfsschlucht lebt ein Riese! Eine mehr als 60 Meter hohe Fichte – Sachsens größter Baum. Ihren Fuß können zwei ausgewachsene Männer nicht umfassen. Als sie zuletzt vor 17 Jahren vermessen wurde, war sie 60,33 Meter hoch und in Brusthöhe 1,40 Meter dick. Ihr Stammumfang betrug 4,40 Meter. Inzwischen dürfte sie noch ein Stück größer sein. Der Platz ist eigentlich gut für Fichten – direkt am Ufer der Kirnitzsch. Dort ist es kühl, feucht genug und sturmgeschützt. Doch wenige Schritte entfernt lauert der Tod: ein millimetergroßes Geschöpf, das im unmittelbaren Umkreis des Riesenbaums schon einigen anderen stattlichen Fichten den Garaus gemacht hat: der Fichtenbastkäfer. Er gehört zur Familie der Borkenkäfer – aber hier in der geschützten Klamm wird er nicht bekämpft. Kann sein, dass Sachsen seinen größten Baum bald verliert. | Update, 2020 >>> Tod eines Riesen

Foto: Benny Trapp/fotolia.com

Das letzte Refugium der Kreuzotter

Früher war sie im Elbsandsteingebirge mal ziemlich verbreitet – inzwischen sind die Wiesen der Kirnitzsch bei Hinterhermsdorf eines ihrer letzten Refugien: Nicht nur hier, sondern sachsenweit sieht es ziemlich düster aus für die Kreuzotter. Das haben Kartierungen gezeigt. In Gegenden, wo sie früher häufig vorkam, ist sie stellenweise gar nicht mehr oder nur noch vereinzelt zu finden, so auch in Teilen der Sächsischen Schweiz. Dafür gibt es drei wesentliche Ursachen: Erstens der Verlust von Lebensräumen – Waldlichtungen und Schonungen, Feld- und Wegraine, Hohlwege und Lesesteinhaufen. Zweitens die Spätfolgen einer jahrzehntelangen Ausrottungskampagne gegen die Giftschlange bis Mitte des 20. Jahrhunderts. Drittens die starke Vermehrung eines ihrer natürlichen Feinde: des Wildschweins. Deshalb: Wenn du beim Wandern mal eine Kreuzotter siehst – freu dich drüber und lass sie in Ruhe! Dann hast du auch von ihr nichts zu befürchten.


Tour-Report


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Wäre das Glück eine Landschaft, würde sie so aussehen wie die Sächsische Schweiz an den Rabensteinen: Ein Bilderbuchtal mit einem glasklaren Bach in der Mitte. Still und in weiten Bögen zieht er durch sonnige Wiesen. Das Wasser schimmert und funkelt smaragdgrün und silbern und ist so sauber, dass man die Kiesel am Grund zählen kann. Am Ufer tummeln sich Schmetterlinge und Bienen. Sumpfdotterblumen verstecken sich im Gras. Darüber leuchten honiggelbe Felswände. Es gehört zu den schönsten Tälern Sachsens – das Kirnitzschtal. Und hier an den Rabensteinen bei Hinterhermsdorf wird dem auch niemand widersprechen.

Das allein wäre schon Grund genug, einen Rucksack zu schultern, über den Gartenzaun zu springen und loszuziehen, wie es der amerikanische Naturforscher John Muir einmal ausgedrückt hat. Wem das nicht reicht, dem sei noch gesagt, dass die Gegend an den Rabensteinen und die Schluchtwälder der benachbarten Kirnitzschklamm nicht nur ausgesprochen schön sind, sondern auch wegen ihrer biologischen Vielfalt ihresgleichen im Elbsandsteingebirge suchen. Die Klamm steht seit fast 60 Jahren unter Schutz und gehört heute zur Kernzone des Nationalparks. Hier ist die Natur mit sich selbst im Reinen.

Und wie gelangt man am besten dorthin? Jede Wanderung beginnt mit dem ersten Schritt, die Klamm muss also noch ein bisschen auf uns warten. Schließlich ist jeder Weg auch für sich genommen ein Erlebnis. Er fängt so an, wie man es wohl von einer traditionsreichen Tourismusregion erwarten darf: an einem Gasthaus. An der Buchenparkhalle oberhalb von Hinterhermsdorf. Der Parkplatz dort gerät in der Saison gelegentlich an seine Grenzen, denn von hier erreicht man in gut 30 Minuten Fußweg eine der Hauptattraktionen der Sächsischen Schweiz: die berühmte Kahnfahrt auf der Oberen Schleuse. Aber Tourismus und Abenteuer können auch problemlos getrennte Wege gehen. Wer letzteres sucht, lässt die Flaniermeile zur Bootsstation besser links liegen und wandert stattdessen auf der Zollstraße schnurstracks in den Wald hinein und dann bergab weiter nach Süden – Bei der Orientierung hilft vielleicht folgende Faustregel: Wenn es binnen fünf Minuten nicht deutlich stiller wird, stimmt was nicht mit der Richtung!

Nach einer Viertelstunde geht´s dann links einen steilen Pfad den Berg wieder hinauf zum Königsplatz (roter Strich) – für mich der unangefochtene Königsweg ins Kirnitzschtal! An der Aussicht oben hat sich seit Zeiten Friedrich August II nur wenig verändert: Weites Land, ferne Bergrücken, Wälder soweit das Auge reicht. Der Holzturm, der einstmals auf der 437 Meter hohen Kuppe thronte, hat zwar schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Zeitliche gesegnet. Bei guter Sicht kann man heute aber auch ohne ihn problemlos bis weit hinüber ins Böhmische Mittelgebirge und ins Zittauer Gebirge blicken – im Südwesten sogar bis zum 70 Kilometer entfernten Milleschauer. Ein paar Atemzüge Höhenluft, dann steigen wir, immer dem roten Strich folgend, hinab ins Allerheiligste des Nationalparks Sächsische Schweiz.

Und da wird´s zunächst mal dunkel und eng. Tunnel sind üblicherweise kein Sinnbild für etwas Schönes – vielleicht abgesehen vom Licht an ihrem Ende. Im Elbsandsteingebirge ist das anders: Hier haben Natur und Mensch stellenweise Hand in Hand gearbeitet und so ein paar spektakuläre Klüfte, Felshöhlen und Tunnelwege geschaffen, die den Erlebniswert der Landschaft mindestens genauso stark prägen wie ihren Charakter. Im hinteren Kirnitzschtal gibt´s mehrere davon. Einen nicht weit vom Königsplatz entfernt: Eben schlängelt sich der Weg dort noch umständlich am Hang entlang, plötzlich biegt er resolut um die Ecke, um einen mächtigen Felsen zu unterwandern. Dann geht´s eine Weile recht übersichtlich durch Hochwald und Heidekraut weiter, bis er sich erneut zu einer überraschenden Spitzkehre entschließt, in eine wildromantische Schlucht eintaucht, wo er sich im Dickicht zwischen umgestürzten Baumruinen und vorwitzigen Fichten-Jungspunden beinahe zu verlieren droht.

So abwechslungsreich bleibt die Tour bis hinunter zum Hollweg (Radroute!). Diesem folgen wir ein kurzes Stück in westlicher Richtung, biegen aber schon nach 100 Metern links in ein Seitental ein. Weiter geht´s von dort über den Hirschgrund hinauf zu den Rabensteinen – und endlich, an ihrer Felskante entlang, hinunter zu den Wiesen an der Kirnitzsch.

Man könnte sie ohne viele Worte mit einem Satz beschreiben: Es gibt Orte in der Sächsischen Schweiz, die einfach nur still und zufrieden machen. Das gilt erst recht für das urige Engtal, aus dem der Bach hervortritt – dort führt unser Weg hinein (blauer Strich!). Der Wald wird mit einem Schlag dichter und wilder. Hinfällige und gebrochene Bäume sind kein ungewöhnlicher Anblick, denn hier darf die Natur schon seit Jahrzehnten machen, was sie will. Dabei schert sie sich nicht um menschliche Wertvorstellungen – und sie hat auch kein Erbarmen mit ihren eigenen Denkmälern. Was dem Leben nicht standhält, muss weichen.

Und eben deswegen ist die Klamm quicklebendig: Silbrig ragen schlanke Tannen neben graubraun geschuppten mächtigen Fichten. Dazwischen wächst Hainbuche, Hasel, Bergahorn und Grauerle. Baumpilze kleben an moosgrünen Stämmen wie festgebackene Fladen. Am Wegrand leuchten die zarten weißen Sterne des Waldsauerklees. Die Kirnitzsch fließt als silbriges Band über schwarze Blöcke und die samtgrün schimmernden Matten des Haken-Wassersterns. Unter einem heidekrautbewachsenen Felsen am Ufer hat ein Fischotter seine Spur hinterlassen. Ein Tal wie im Urzustand.

Mann am Eingang einer Felshöhle
Unterwegs auf herrlich wilden Wegen – Hier am Eingang zur „Bärenhöhle“. (Foto: Dana Landgraf)

Nach knapp einer Stunde in diesem grünen Paradies nimmt der Weg schließlich Abschied von der Kirnitzsch und steigt über die Wolfsschlucht den Berg hinauf und zurück Richtung Buchenparkhalle. Zum Trost durchquert er dabei aber nochmal zwei herrlich abenteuerliche Felstunnel, in denen Leute mit Platzangst oder Plauze ziemlich ins Schwitzen geraten: die Bärenhöhle und die nadelöhrgroße Felskluft zum Hermannseck (anstrengende Stiege!). Oben angekommen, spürt man plötzlich wieder den Wind um die Nase und wundert sich, wie schnell vier volle Wanderstunden vorbeigegangen sind. Vor dem geistigen Auge summen die Bilder und Eindrücke herum wie die Insekten auf den Rabenstein-Wiesen. Das reinste Kopfkino. Sicher kennt ihr das: Wenn man spontan und ohne besondere Erwartungen losläuft, findet der Weg bald selbst tausend Gründe dafür.

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