Wo alles begann

Portraitfoto, dahinter Felsmassiv im Nebel, Fotomontage
Nicht nur für Bernd Arnold ist der Falkenstein der bedeutendste Kletterfelsen im Elbsandstein. (Fotomontage: Sven Legler/Hartmut Landgraf)

Rund 150 Aufstiege führen auf den bedeutendsten Klettergipfel im Elbsandsteingebirge: den Falkenstein. Schwer, da eine Auswahl zu treffen. Manchmal macht´s das Wetter: An heißen Sommertagen ist es gut, wenn ein glorreicher Felsen auch Schattenseiten hat.

Text: Bernd Arnold

Wir alle wissen, der Falkenstein ist der großartigste Gipfel im gesamten Elbsandsteingebirge. Mit seinen ca. 150 unterschiedlichsten Kletterwegen und Varianten ist er, für alle Aktiven im gesamten Leistungsspektrum, das Gipfelziel schlechthin. Hierbei gesellt sich zum sportlichen Tun auch das wahrhafte Gipfelerlebnis, das Gefühl „des Ganz-oben-Stehens“. Dieses Gefühl war es wohl auch, was die fünf Schandauer Turner 1864 zu ihrer „Eroberungstour“ antrieb.

Die Erstbesteigung des Falkensteins vor mehr als 150 Jahren gilt heute allgemein als Geburtsstunde des Sächsischen Bergsteigens. Eine kühne Tat von fünf Männern des Turnvereins zu Schandau, der Herren Tröger, Hering, Fischer, Wähnert und Frenzel. Wobei wohl der Tischlermeister Gustav Tröger der Kopf dieser Unternehmung war, denn er engagierte sich im Verein auch sonst über das normale Maß hinaus und führte 1863 das Turnen der Schuljugend ein. Was waren das für Männer?  Handwerker und Gewerbetreibende, die auf Grund ihrer Stellung über Freizeit verfügten. Freizeit ist die Voraussetzung zum Sporttreiben.

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Kletterzugang GPX-Download
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Luftbild vom Falkenstein in der Sächsischen Schweiz
Foto: Frank Richter | Quelle: Archiv Bernd Arnold

Dabei turnten sie nicht nur, sondern wanderten gemeinschaftlich in der näheren Umgebung. Naheliegend, noch etwas Großartigeres zu tun. Ja, den Falkenstein „erobern“, also „ganz-oben-stehen“. Im dritten Anlauf gelang das Vorhaben. Dass sie dabei Leitern und Holzspreizen verwendeten, ist ihnen nachzusehen, denn es war ja wirklich der Anfang einer ganzen Bewegung und deren Entwicklung noch nicht absehbar. Als Zeichen ihrer „Eroberung“ ließen sie eine rot-weiße Turnerfahne, eine Champagnerflasche und eine Urkunde zurück. Sie waren die Ersten, die hier das Gipfelglück erlebten. Ein Glück von zeitlosem Wert, weil es uns allen auch ein Stück Freiheit vermittelt.

Heutzutage wird der „Turnerweg“, wohl wegen seiner engen Kamine, etwas stiefmütterlich frequentiert. Stattdessen ist der „Schusterweg“ ein „Muss“ für die gesamte Klettergemeinde. Einer Empfehlung bedarf es hier nicht.

Auch der Gipfel hat einiges zu bieten

Für heiße Sommertage, die ja auch in dieser Saison zu erwarten sind, möchte ich hier, für den leistungsorientierten „Normalverbraucher“, zwei schattige Wege vorstellen: Nordwestkante und Eckweg (siehe Wegbeschreibung unten). Bis 1963 kannte ich am Falkenstein nur die grob strukturierten Spalten – Schusterweg, Turnerweg, Nordkamin, Südriss und Hoher Riss, wobei mir der letztere all meine körperlichen Kräfte abverlangte. 1964 kamen dann Wetterwand, Renger-Gedächtnisweg, Direkte Westkante, Schwefelbrüderweg und Hoher Winkel hinzu. Erst im Sommer 1965, offenbar als Schattenspender, reihte sich der „Eckweg“ ein. Die Nordwestkante kletterte ich erstmals 1970 (25.10.) an einem Solo-Tag (Westkante, Nordwestkante m. Ev., Zinne – Emporweg dir.). Danach musste ich mich beeilen, denn es galt noch beim Bäcker „Förster“ die Geburtstagstorte für meinen Vater abzuholen.

Überreste der einstigen Burgwarte auf dem Falkenstein. (Quelle: Archiv Bernd Arnold)

Oben angekommen (am nördlichen Teil des Gipfels) hat der Falkenstein, für aufmerksame und neugierige Besucher, einiges zu bieten.  Die erforderliche Gipfelwanderung zum Buch kann man zu einer Zeitreise gestalten. Dabei benutzt man den oberen Teil des „Turnerweges“ und kann seinen Mut am „Turnersprung“ erproben (auch rechts durch Kamin zu umgehen). Uns begegnen Stufenreihen, Balkenlagen und Wasserrinnen aus dem Mittelalter (Burgwarte). Auf dem Plateau des Mittelgipfels sind auch die Initialen der Erstbesteiger zu finden.

Die Ostseite des Falkensteins, von der Wildwiese fotografiert. (Foto: Bernd Arnold)

Der Name des Falkensteins ist einer der ältesten im Gebirge. Er wurde bereits 1451 – neben Schrammstein und Frienstein – in der Urkunde über die Abtretung der Herrschaft Wildenstein an Sachsen als „Falckenstein“ genannt. Auch im sogenannten Burgenverzeichnis von 1456 ist er enthalten. Bei der ersten Kartierung von Öder wird er „Falkenstein, hoch und blos“ genannt. Der Name stammt wahrscheinlich von den in den Felsen brütenden Falken. Nicht abwegig erscheint mir, dass er wegen seiner Form (Ostansicht) so benannt wurde, denn von der Wildwiese aus sehen wir einen Falken mit Kopf und aufgestellten Flügeln.

Allen Schattensuchenden ein spannendes Erlebnis für heiße Sommertage!

Bernd

 

 

 

 

Fortsetzung folgt

*Quellen:

  • Der Falkenstein, Hans Pankotsch, Neisse Verlag 2002
  • Die Namen unserer Klettergipfel, H. Pankotsch und D. Heinicke, SBB 2013
  • Kletterführer Band Schrammsteine, Berg- und Naturverlag Rölke, 2012
  • Chronik III, Joachim Schindler
  • Archivfotos, Joachim Schindler

Bislang sind erschienen:

    1. Hartmannweg am Vorderen Gansfelsen >>> zum Beitrag
    2. Schusterweg am Talwächter >>> zum Beitrag
    3. Weinertwand am Vexierturm >>> zum Beitrag
    4. Privatweg an der Großen Hunskirche >>> zum Beitrag
    5. Bruchholzkante am Spannagelturm >>> zum Beitrag
    6. Nordwestkante am Falkenstein

Falkenstein

Nordwestkante (VIIa)

Otto Dietrich, J. Unger, C. Ließ, A. Pietsch, 26.6.1921 – Rechts der Nordwestecke Wand mit großen Löchern und Riss mit rippenartigem Einstieg zu großem Absatz (Plateau). Nach links in die Nordseite queren, Rippe bis zum Ende folgen und kurzer Querung nach rechts zu Absatz (NR). Rechts Riss und Kaminfolge, zuletzt Wandstufe z. G. (Übergang zum Gipfelbuch).

Historische Aufnahme von der Erstbegehung der Nordwestkante am 26. Juni 1921. (Quelle: Archiv Bernd Arnold)

Nach der etwas unübersichtlichen Einstiegswand, bedarf es nach dem Plateau, bei der Querung in die steile Nordseite zur weiterführenden Rippe (das Herzstück des Weges), etwas Selbstvertrauen.  Der Mut wird belohnt, außerdem ergeben sich einige gute Schlingenstellen, so dass die Schlüsselstelle (kurze Rechtsquerung am Ende der Rippe) gut abzusichern ist. Vom NR führt ein offener Risskamin nach oben. Achtung! In der Mitte gibt es nochmals eine „Problemstelle“.

Für höhere Ansprüche gibt es noch die Ein- und Ausstiegsvarianten.

Einstiegsvariante VIIb (besser VIIc)

Fritz Eske, A. Barth, H.Poguntke, 10.4.1964 – Einige Meter links der Kante Rippenfolge, oben überhängend zum großen Absatz. Sehr lohnend und mit etwas Ruhe auch gut abzusichern (großer Ufo am Ausstieg / Schlüsselstelle).

Ausstiegsvariante IXb

Bernd Arnold, G. Lamm, C. Martin, A.Börnert, G. Röthig, D.Brandler, 17.7.1971 – Nach NR Riss nur wenig hoch und links Kante (2 Ringe) z.G. Etwas ausgesetzt, nach dem NR, die Linksquerung. Großartig die Wandstelle nach dem Ring! Es bedurfte zweier Versuche und brachte mich an meine damalige Leistungsgrenze.

Weitere Kombinationen sind „Deflation“ (IXb, Rüdiger Helling, Tobias Wolf, 18.8.2005) und die „Totale Bereicherung“ (IXb, Chris-Jan Stiller, S. Thiele, T. Küntscher, 11.4.2009).

Quelle: Joachim Schindler, Chronik zur Geschichte von Wandern und Bergsteigen in der Sächsischen Schweiz, Teil III

Eckweg (VIIa)

Alfred Loos, M. Matthäus, H. Wagner, 20.4.1913 – Gleich rechts der Nordwestkante, eignet sich gleichermaßen für heiße Sommertage. Ca. 7 Meter rechts der Nordwestkante Wandstufe und griffigen Riss zu Plateau. In tiefem Winkel Riss in Verschneidung an Ring vorbei und Wandstufe z. G. (Übergang zum Gipfelbuch).

Die Einstiegsseillänge lässt sich sehr gut absichern (einige Sanduhren).  Die Schlüsselstelle versteckt sich im langen Riss nach dem Ring. Die Psyche ist gefordert und ein paar Ufos verfehlen ihre beruhigende Wirkung nicht. Wer es klettertechnisch etwas anspruchsvoller mag, dem ist die „Winkelvariante“ zu empfehlen: VIIc – Manfred Vogel, Dieter Fahr, 29.10.1977. Vom großen Plateau rechts Hangelriss an Ring vorbei zu 2. Ring. Links queren zum Ausstiegskamin.

Als ideale Kombination, wobei klettertechnischer Anspruch und Absicherung harmonieren, empfiehlt sich das Aneinanderreihen der Einstiegsseillänge vom Eckweg und danach der Nordwestkante folgen.

Über die Erstbegeher:

Otto Dietrich (1896 Dresden – 1961), Spitzname „Pegou“ (nach franz. Kunstflieger). Dietrichwege gibt es einige, nicht nur in Sachsen, noch heute begegnen wir diesen Wegen mit vollem Respekt.  Johannes Unger und die Elite dieser Zeit waren seine Seilgefährten. Willy Häntzschel, ein Altvorderer, der ihn noch kletternd erlebte, bezeichnete ihn als den besten „Steher“ (Klettertechnik) seiner Zeit. Zum Geldverdienen war er Maurer und Zimmermann, später Bergführer und Hüttenwirt (Tappenkarseehütte / Niedere Tauern). Mitgliedschaften: Schrammsteiner 12, Rosentürmer 12 (1914), Wehlsteiner 09 (1919), FDKR (1920), SBB 1912 – GA 1920-23, Schlichtungsausschuss 1921, Silberne Ehrennadel 1936, DUÖAV 1943. Bedeutendste Erstbesteigungen: Bürgermeisterin, Liebespaar (Böhmen). Ausgewählte Erstbegehungen in Sachsen: Einige Dietrichwege darunter Falkenstein-Westkante, Hauptdrilling-Dietrichweg, Hoher Torstein-Ostverschneidung, Ostertürme-Dietrichrinne, Heringsgrundnadel-Talseite, Gr. Wehlturm-Südwand. In den Alpen: Saulakopf-Ostwand, Kl. Drusenturm-Südostwand.

Alfred Loos (1892 Österreich – 1971 Weinheim), Beruf: Kaufmann (Lederwaren und Kunsthandlung Sinz Dresden). Mitgliedschaft: Arnsteiner 08 (1911), 1913 CdG 05. Erstbesteigung: Gansturm (1912). Erstbegehungen: Zackenkrone-Gipfelstürmerweg, Falkenstein-Eckweg (1913)

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