Lost Places im Schwarzbachtal

Tunneleingang versteckt im Wald - am Ende des Tunnels Licht und eine Wanderin.
Das Nordportal des Schwarzbergtunnels: Von 1897 bis 1951 dampfte hier die Schmalspurbahn von Goßdorf-Kohlmühle über Lohsdorf bis nach Hohnstein. (Foto: Hartmut Landgraf)

Die stillen Täler am Nordrand der Sächsischen Schweiz stecken voller Geheimnisse. Im Dickicht der Buchen und Eichen verträumen alte Tunnel und Gemäuer die Zeit. Und warten auf Entdecker.

Es gibt ein paar Ecken in der Sächsischen Schweiz, wo man auch bei schönstem Wetter oder an turbulenten Feiertagen kaum eine Menschenseele trifft. Das Sebnitz- und Schwarzbachtal gehören dazu. Erstaunlicherweise. Denn wer gerne auf romantischen Pfaden unterwegs ist, wird hier sicher nicht enttäuscht: alte Tunnel und Gemäuer zeugen von der bewegten Geschichte dieser Gegend – von Raubrittern, Mühlen und der großen Zeit der Dampfeisenbahn. Obendrein ist die Landschaft ein wahrer Genuss. Urige Wälder, stille Bäche, sonnige Wiesen. Trotzdem sind die beiden Täler am Nordrand des Elbsandsteingebirges noch immer ein Insidertipp.


Elbsandstein-Touren | Reisereportagen


Touren-Serie in Koorperation mit dem Tourismusverband Sächsische Schweiz

Was das Wandern dort aber zu einem echten Abenteuer macht, erfahrt ihr im Tour-Report. Karte und Route zum Download findet ihr unter dem Beitrag verlinkt. Und einen Bonus-Tipp: eine 2-Tages-Wanderung von Dresden ins Elbsandsteingebirge – Die Tour erschließt ebenfalls Landschaften nördlich der Sächsischen Schweiz und folgt dabei weniger bis kaum bekannten Wegen: u.a. durchs Schönfelder Hochland.

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Kurzbeschreibung:

Eine abenteuerliche Wanderung durch verträumte, einsame Landschaften am Nordrand der Sächsischen Schweiz. Die gut vierstündige Tour beginnt und endet am Bahnhof in Lohsdorf (Parkplatz gegenüber) und führt teils auf der Trasse der ehemaligen Schwarzbachbahn zu geschichtsträchtigen Orten im Sebnitz- und Schwarzbachtal. Von Lohsdorf geht´s zunächst dem alten Bahndamm folgend Richtung Südosten, dann nach einem knappen Kilometer über den Langen Weg links aus dem Tal heraus und am Hutberg vorbei nach Ulbersdorf. In Ulbersdorf auf der Dorfstraße bleiben bis fast zum anderen Ortsende, dann rechts abbiegen und den Grundweg hinunter bis zum Ufer der Sebnitz wandern. Flussabwärts geht´s weiter immer am Bach entlang und der Trasse der Semmeringbahn/Nationalparkbahn folgend drei Kilometer nach Westen bis zur Einmündung des Schwarzbachs unweit der ehemaligen Buttermilchmühle. Im Schwarzbachtal kommt linker Hand gleich ein Treppenaufgang zum Goßdorfer Raubschloss (steil!). Etwa 300 Meter weiter taleinwärts mündet der Weg erneut auf die alte Trasse der Schwarzbachbahn (direkt am Nordportal des 68 Meter langen Schwarzbergtunnels) und führt dann nach Norden durch den Maulbergtunnel (38 Meter lang) immer dem historischen Bahndamm folgend zurück nach Lohsdorf.

  • Distanz ca. 12 Kilometer
  • 373 Höhenmeter
  • Wanderzeit insgesamt rund 4 h (ohne Rast)
  • Charakter: stille, geschichtsträchtige Rundtour durch romantische Täler
  • Einkehrmöglichkeiten: Landgasthaus zum Schwarzbachtal in Lohsdorf, Erbgericht in Ulbersdorf
  • Mit dem Auto: Aus Pirna kommend über Hohnstein und Ehrenberg die S165 nach Lohsdorf, Parkplatz direkt gegenüber vom Bahnhof.
  • ÖPNV:  Nationalparkbahn U28 von Bad Schandau bis Gossdorf-Kohlmühle, in diesem Fall beginnt und endet die Runde im Sebnitztal. Ansonsten mit der Buslinie 236 Pirna-Sebnitz des RVSOE bis Lohsdorf. Fahrplaninfos: www.ovps.de


Route GPX-Download
Hier könnt ihr euch mit einem Klick die Route direkt aufs Smartphone laden. Vor dem Download bitte eine Outdoor-App installieren, z.B. outdooractive oder komoot.

Unterwegs auf vergessenen Wegen

Mann mit Rucksack wandert über einen Wiesenhügel
Zwei Tage bis in die Sächsische Schweiz. (Foto: H. Landgraf)

Heim nach draußen Durchs Schönfelder Hochland in die Sächsische Schweiz

Zum Reisen braucht es nicht viel: Nur ein bisschen Brot und Tee in einem alten Rucksack – und zwei gesunde Füße. So kommt man in zweieinhalb Tagen von Dresden ins Elbsandsteingebirge. Und sieht unterwegs ein schönes Stück Welt. >>> zum Beitrag


Tour-Report


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Von der Gegend zwischen Unger und Schwarzbachtal würde der Bad Schandauer Kartograf Rolf Böhm wohl nie eine Wanderkarte zeichnen. Ganz einfach, weil sich kaum jemand dorthin verirrt. Seit Jahrzehnten wurde das Gebiet am Nordrand der Sächsischen Schweiz nicht mehr kartiert. Böhm war dort mal vor vielen Jahren wandern – im Winter. Ein stilles, weites Land, einsam und voller Melancholie. Von ganz hinten kamen Reiter über die Felder, umweht von kaltem Dunst. Ohne Gruß preschten sie vorüber und waren schnell wie ein Spuk wieder verschwunden. Zurück blieb eine Wolke aus Schnee. Wie udmurtische Hirten auf ihrem Ritt durch die Steppe, so hat es der Kartograf in Erinnerung.

Das war im Winter. Im Frühjahr sieht die Gegend anders aus – eine blühende Landschaft, üppig grün und lieblich. Sonnige Hügel, verwunschene Täler, dazwischen kleine gemütliche Dörfer. Und in den Wäldern manch verfallenes Gemäuer, das schon halb in Vergessenheit geraten ist und im Dickicht der Buchen und Eichen nur noch die Zeit verträumt: alte Tunnel und Fundamentreste, die von der bewegten Geschichte dieser Gegend zeugen – von Raubrittern und Mühlen und der großen Zeit der Dampfeisenbahn. Einige dieser Orte kann man bei einer Wanderung durchs Sebnitz- und Schwarzbachtal entdecken.

Die abenteuerliche Tour beginnt am Bahnhof in Lohsdorf – einem Haltepunkt der ehemaligen Schwarzbachbahn. 1951 dampften letztmalig Züge aus dem Sebnitztal die 12 Kilometer hinauf bis nach Hohnstein, danach wurde die Strecke stillgelegt und zurückgebaut. Nur zwei Tunnel und Reste des alten Bahndamms blieben erhalten. Ein Verein bemüht sich seit 25 Jahren um die Wiederbelebung des Schmalspurbetriebs. Das Bahnhofsgelände in Lohsdorf haben die Eisenbahnfreunde schon rekonstruiert. Eine echte Dampflok soll demnächst als Dauerleihgabe nach Lohsdorf kommen. Und Richtung Ehrenberg führt heute sogar wieder ein Stück Gleis zum Ort hinaus – ein paar Hundert Meter zwar nur, dann ist vorerst Schluss. Aber die Pläne gehen schon viel weiter.

Wir müssen in die entgegengesetzte Richtung – dahin, wo der alte Bahndamm zwischen hochgewachsenen Birken allmählich zur Ahnung wird: Richtung Ulbersdorf. Draußen auf den Wiesen schneit es Apfelblüten. Ein warmer Wind tuschelt in den Gräsern. Grillen zirpen, der Schwarzbach murmelt schläfrig vor sich hin. Plötzlich taucht die Trasse zwischen Felswänden in eine dunkle Schlucht ein, auf der anderen Seite gehen Bahntrasse und Wanderpfad getrennte Wege, letzterer lässt den Taleinschnitt in östlicher Richtung bald hinter sich und steigt zu den Feldern am Hutberg hinauf.

Ulbersdorf döst in der Mittagssonne. Gepflegte Beete, akkurat gestutzte Hecken, hübsch sanierte Fachwerkhäuser. Kein Mensch ist zu sehen. Ein einzelner Hahn hat´s verschlafen und macht seinem Ärger darüber Luft. Vorbei an Kirche und Erbgericht geht´s auf der Dorfstraße weiter, bis rechts der Grundweg bergab zum Wald und ins Sebnitztal abzweigt. Spätestens dort verschluckt die Stille jedes menschliche Geräusch. Alle paar Stunden zuckelt hier mal die Regionalbahn der Tschechisch-Deutschen Nationalparklinie U 28 über Brücken und Viadukte das Tal hinauf nach Sebnitz und weiter ins Böhmische – die Ringlinie geht Mitte Juni wieder in Betrieb. Ansonsten ist Ruhe. Der Sebnitzbach zieht gemächlich in seinem steinigen Bett dahin. Sein Wasser funkelt im Sonnenschein. Am Ufer wuchern Knöterich und Wilder Rhababer. Nichts stört den Frieden.

Das war vor 650 Jahren ganz anders. Ein paar Kilometer flussabwärts vom Grundweg, an der Einmündung des Schwarzbachs in die Sebnitz, erinnern hoch überm Tal die Überreste einer alten Burg an das sagenumwobene Rittergeschlecht der Berken von Duba – das sogenannte Goßdorfer Raubschloss. Über das Gemäuer und seine Eigentümer weiß die Legende nicht allzu viel Gutes zu berichten. Die Geschichten handeln von Mord und Totschlag. Einer der Bewohner soll sogar den Teufel beschworen haben. Die Spuren des Verfalls sind freilich nicht ganz echt. Im 19. Jahrhundert ließ ein romantisch veranlagter Rittergutsbesitzer auf den noch vorhandenen Mauerresten aus dem Mittelalter eine künstliche Ruine errichten, um das Andenken an die wilde Vergangenheit dieses Ortes zu bewahren.

Nach solchen abenteuerlichen Geschichten verwundert es kaum, wenn man nur ein paar Hundert Meter weiter das Schwarzbachtal hinauf nichtsahnend um eine Ecke biegt – und unversehens in einen Berg hineinspazieren kann. Ein gewaltiges Loch geht da unterm Burgfelsen hindurch: 68 Meter lang, mit gemauerten Portalen auf beiden Seiten – der sogenannte Schwarzbergtunnel. Nicht die Zwerge haben ihn gegraben, sondern die Ingenieure und Gleisbauer der alten Schmalspurtrasse nach Hohnstein. Womit sich der Kreis zum Ausgangspunkt der Tour wieder schließt. Dem Wanderweg folgend, gelangt man auf den Spuren der einstigen Dampfeisenbahn nun nordwärts durch ein ähnliches Bauwerk, den 38 Meter langen Maulbergtunnel, in einer knappen Stunde zurück nach Lohsdorf.

Aber es lohnt sich, noch einen Augenblick vor dem ersten Tunnel innezuhalten und hinein zu lauschen. Im Abendlicht leuchtet sein fernes Ende wie das Tor zu einer anderen Welt. Wenn man ganz still wird, ist es, als ob ein leises Flüstern aus dem Berg kommt – nicht mehr als ein Hauch – und von den Menschen zu erzählen beginnt, die auf ihm und unter ihm gewesen sind. Jahrhunderte getrennt voneinander und dennoch verbunden im Fluss der Zeit. Ein Stück Geschichte wird lebendig – nur für einen Moment. Man kann es nicht festhalten.

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