Dosen-Ravioli auf dem Forststeig

Wald, Biwakplatz mit erleuchtetem Zelt und Schutzhütte
Anbruch der Dunkelheit im Spitzstein-Biwak auf dem Forststeig. (Foto: Hartmut Landgraf)

Auf Rucksacktouren lernt man, seine Ansprüche runter zu schrauben und mit dem Allernötigsten auszukommen. Und auch, dass nicht jeder Kompromiss ein guter ist. Eine Trekking-Lektion aus dem Spitzstein-Biwak.

Rund 100 Kilometer führt er links der Elbe durch die grenznahen Wälder der Sächsisch-Böhmischen Schweiz – der Forststeig, die Elbsandsteintour für Trekkingfreunde. Für den ganzen Trail braucht man zwischen vier und sechs Tage, je nachdem, was die Kondition hergibt und der Rucksack wiegt.


Elbsandstein-Touren | Reisereportagen


Touren-Serie in Koorperation mit dem Tourismusverband Sächsische Schweiz

Wer aber nicht gleich für eine ganze Woche in der sächsischen Wildnis verschwinden will, kann sich dem Thema Trekking auch behutsam auf der hier empfohlenen Zweitages-Route annähern – inklusive Übernachtung im Zelt auf dem Biwakplatz am Spitzen Stein. Aber Vorsicht: Trekking verlangt Planung, auch bei kurzen Touren. Das gilt besonders fürs Rucksackpacken. Der Grundsatz lautet: Weniger ist mehr. Aber man sollte es auch nicht mit dem Sparen übertreiben, wie der folgende Report zeigt.

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Kurzbeschreibung:

Wer mit Rucksacktouren über mehrere Tage noch keine Erfahrung hat, für den bietet sich ein kurzes 19-Kilometer-Trekking mit Übernachtung am Spitzstein-Biwak als guter Einstieg an. Zugleich lernt man eine schöne Etappe des Forststeigs kennen, mit wirklich fotogenen Aussichten auf dem Spitzstein und dem Lampertsstein. Achtung! Für die Übernachtung im Biwak muss man zuvor ein Trekkingticket erwerben, die Übernachtung im Zelt kostet pro Person 5 EUR. Nähere Infos zum Forststeig und den Trail-Gepflogenheiten gibt’s hier >>> Forststeig Elbsandstein Von der Katzsteinbaude in Cunnersdorf wandert man dem grünen Punkt folgend zum Katzstein – ein Abstecher zum Gipfel lohnt sich, Panoramaaussicht!  Unterhalb vom Katzstein mündet der Weg auf den gelb markierten Forstteig ein und führt, diesem folgend, zum Biwakplatz am Spitzen Stein. Von dort wandert man am darauffolgenden Tag recht gemütlich bergan zum Lampertsstein – Aussicht! – und über dessen Kamm hinunter zur Cunnersdorfer Straße (Forstweg). Diese geht´s vom Forststeig weg zuerst ein Stück zurück nach Osten und dann dem grünen Punkt folgend den Ladeweg hinunter zum Cunnersdorfer Bach und auf der anderen Talseite wieder straff bergauf Richtung Pfaffenstein. Der Weg trifft mit dem bequemen Aufsteig zum Pfaffenstein zusammen – Abstecher! – und führt um den Tafelberg herum über Pfaffendorf hinunter ins Elbtal nach Königstein.

  • Distanz ca. 19 Kilometer
  • 555 Höhenmeter
  • Wanderzeit insgesamt ca. 6:00 h (ohne Übernachtung)
  • Charakter: leichtes Kurztrekking für Einsteiger
  • Einkehrmöglichkeiten: u.a. „Deutsches Haus“ und „Katzsteinbaude“ in Cunnersdorf, Pension und Gasthaus „Zum Pfaffenstein“ in Pfaffendorf, diverse Gaststätten in Königstein – Insidertipp: „Das Steingut“ auf der Halbestädter Elbseite!
  • ÖPNV: S-Bahn bis Königstein, dann mit der Bus-Linie Linie 244a Richtung Gohrisch, Papstdorf, Kleinhennersdorf, Cunnersdorf. Fahrplaninfos: ovps.de


Route GPX-Download
Hier könnt ihr euch mit einem Klick die Route direkt aufs Smartphone laden. Vor dem Download bitte eine Outdoor-App installieren, z.B. outdooractive oder komoot.

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Tour-Report


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Unter Trekking versteht man, etwas verkürzt gesagt, die Kunst, mit sich selbst Kompromisse zu schließen. Am offensichtlichsten ist das beim Rucksackpacken. Da geht es immer um einen tragfähigen Ausgleich zwischen dem, was sinnvoll wäre, um die Beine zu bewegen – und dem was nötig erscheint, um auf den Beinen zu bleiben. Was dann üblicherweise dazu führt, dass an irgendeiner wichtigen Stelle gespart wird – oftmals an der falschen – und die Zufriedenheit mit dem Kompromiss dadurch bescheiden und nicht von langer Dauer ist.

John Muir beschrieb Trekking mal etwas romantisch als die Sehnsucht, „einen Laib Brot und ein Pfund Tee in einen alten Rucksack zu werfen, über den Gartenzaun zu springen und loszuziehen.“ Generationen von unerfahrenen Rucksackwanderern sind dieser Verlockung blauäugig gefolgt – nur, um später in der Wildnis mit hungrigem Entsetzen festzustellen, dass sie nichts anderes als Brot im Rucksack hatten. Es gibt zum Glück aber Wege, auf denen man diese Art des Wanderns und das dabei zweckmäßige Maß an Unbeschwertheit und Anspruchslosigkeit völlig gefahrlos erlernen kann. Der Forststeig in Sachsen ist einer davon.

Rund 100 Kilometer führt er links der Elbe durch die wenig besuchten, grenznahen Wälder der Sächsisch-Böhmischen Schweiz, überquert dabei 13 Tafelberge und macht um die meisten Ortschaften einen weiten Bogen. Man muss nicht den kompletten Trail ablaufen, um einen Eindruck davon zu bekommen, was Trekking bedeutet und was es erfordert – eine Zweitagestour zum Spitzstein-Biwak reicht völlig aus. Die hier empfohlene Route beginnt ganz zivilisiert im malerisch-verträumten Cunnersdorf – Zäune sind dabei nicht zu überspringen, und wer kein Brot im Rucksack hat, kann es sich hier noch schnell frisch von der Landbäckerei Schmidt holen. An einem sonnigen Oktobertag mache ich mich von der Katzsteinbaude mit schwerem Gepäck auf den Weg in die Wälder. Mit dabei sind ein Zelt, Schlafsack, Isomatte, Gaskocher nebst Kochtopf, drei Liter Trinkwasser, Wechselsachen, leichte Daunenjacke – und die lästig schwere, aber unverzichtbare Kameraausrüstung. Über das Abendbrot habe ich nicht lange nachgedacht. Es gibt Ravioli aus der Dose. Macht satt. Ist in fünf Minuten zubereitet. Einfach heißmachen – umrühren, fertig. Dazu später mehr.

Der Weg geht eine Weile gemütlich bergauf, nach einer halben Stunde trifft er unterhalb vom Katzstein schon auf den gelb markierten Forststeig, der von der tschechischen Grenze kommt. Diesem folgend, gelangt man in einer weiteren halben Stunde ohne irgendwelche Orientierungsprobleme oder andere Schwierigkeiten zum Biwakplatz am Spitzen Stein. Ich wandere gemächlich vor mich hin, schiebe immer mal die Daumen unter die Tragriemen des Rucksacks, um das Gewicht von den Schultern zu kriegen und hänge meinen Gedanken nach. Die Sonne durchwirkt den Wald mit goldenem Licht. Der Herbstwind zerrt an den Blättern.

Das Spitzstein-Biwak ist einer von vier ähnlich gearteten Rastplätzen am Forststeig, wo das Zelten im Wald gegen eine geringe Gebühr erlaubt ist. Wildcampen mit staatlichem Segen sozusagen. Die zuständige Forstbehörde kümmert sich um die Camps, leert die Komposttoiletten und kontrolliert die Tickets. Außerdem gibt´s am Trail noch fünf mit Pritschenlagern ausgestattete Selbstversorgerhütten, in denen müde Wanderer für eine Nacht ihre Matte ausrollen können – sofern sie alles Nötige dafür im Rucksack haben, vom Schlafsack bis zum Klopapier. Viele Backpacker machen´s wie ich und laufen nur ein Stück der Route. Und jetzt im Herbst lässt der Betrieb allmählich nach, Ende Oktober schließen die Hütten – ab dann ist Winterruhe auf dem Trail. Aber die beste Zeit, um über den Gartenzaun zu springen, ist sowieso immer jetzt. Das würde auch John Muir so sehen. Brotlaib. Und los.

Und vielleicht bin ich ihm damit heute mal auf den Leim gegangen. Rucksackpacken ist im Grunde keine große Sache – aber ein bisschen Planung zahlt sich schon aus, auch bei kleineren Touren. Das habe ich heute versäumt und werde nun das Gefühl nicht los, dass irgendwas Wichtiges fehlt. Im Biwak treffe ich Dominik aus München. Er ist in Rosenthal auf den Forststeig gestoßen, hat sein Etappenziel schon eine Stunde früher erreicht als ich und sich in der Zwischenzeit mit einer Pfanne Quinoa für die geschafften Kilometer belohnt. Nun genießt er entspannt das letzte Abendlicht und das schöne Gefühl, demnächst mit vollem Bauch in den Schlafsack zu schlüpfen. Ich baue mein Zelt auf der gegenüberliegenden Seite des Lagers auf, breite den mitgeschleppten Kram darin aus – und merke schließlich, dass es tatsächlich etwas gibt, was ich vergessen habe: ein Trinkgefäß.

Um es ganz klar zu sagen: Beim Trekking den Trinkbecher zu vergessen, ist keine Lappalie, sondern eine böse Sache. Nicht nur, weil er eine Art Multitool der Outdoorküche ist. Viele Wanderfreunde verehren ihren Becher zudem fast so innig wie ein Totem, mit dem sie sich zum einen als vollwertiges Mitglied des Backpacker-Clans ausweisen und obendrein – abhängig vom Inhalt – jederzeit Trost und Zuversicht für die noch bevorstehenden Strapazen des Weges schöpfen können. So ist es nicht weiter verwunderlich, wenn sich manche sogar ihre persönlichen Initialen oder Lebensmaximen auf den Becher gravieren oder ihn sich mit allerlei Insignien ihres Abenteurerdaseins verzieren lassen: mit Bergen, urigen Blockhütten, Lagerfeuern – Weißkopfseeadlern. Mein Heiligtum hingegen steckt zu Hause womöglich noch in der Spülmaschine. Rein praktisch betrachtet, bedeutet diese Schusseligkeit, dass ich den Kaffee am nächsten Morgen entweder mit Ravioliresten durchsetzt aus dem Kochtopf trinken muss, oder aber den Kochtopf für den Kaffee aufspare und das Abendbrot stattdessen gleich in der Konservendose warmmache – das eine wie das andere erscheint im Hinblick auf Ästhetik und Geschmack wenig verlockend. Am Ende siegt aber der Kaffeegenießer in mir, und die Ravioli wandern in der Dose auf den Kocher.

An dieser wie an jeder anderen Stelle kann es sich rächen, wenn man bei den Einkäufen und Vorbereitungen einer Tour die eigenen Ansprüche zu weit nach unten schraubt und an der falschen Stelle spart. Denn anders als ausgeklügelte Trekking-Nahrung sind Dosen-Ravioli nur bedingt für den harten Feldeinsatz tauglich. Konservendosen haben in ihrem Inneren eine korrosionsabweisende Lack-Beschichtung, die unter der Hitzeeinwirkung einer Gasflamme im Handumdrehen schmilzt und sich in alle möglichen – und vermutlich nicht besonders gut verdaulichen – Bestandteile auflöst. Zudem brennt die unterste Schicht Ravioli in Ermanglung von Bewegungsräumen in der Dose unweigerlich an, während die in der Mitte lauwarm und die ganz oben kalt bleiben, bis man sie schließlich miteinander verrührt – mitsamt den unten befindlichen Bisphenol A-Geschmacksverstärkern. Ich quäle mir tapfer zwei, drei Löffel von diesem chemischen Cocktail in den Bauch – dann vergesse ich alle Trailregeln und meine gute Kinderstube und kippe den Inhalt der Dose ins Gebüsch.

Das Schöne beim Trekking ist: Jede bitter gelernte Lektion hat auch ihre guten Seiten. Mein knurrender Magen hält mich lange wach – ich horche hinaus durch die Zeltwand auf die Geräusche der Nacht und fühle mich auf seltsame Weise in diesem einfachen Dasein zu Hause. Draußen pfeift ein kalter, heftiger Wind durch die Baumwipfel, drinnen im Schlafsack ist es gemütlich warm. Ich wandere in Gedanken schon die morgige Etappe: hinauf auf den Lampertsstein mit seiner wenig bekannten Panoramaaussicht auf die linkselbischen Tafelberge, dann weiter auf stillen Forstwegen ins Tal zum Cunnersdorfer Bach und auf der anderen Seite wieder bergauf zu den Feldern und Wiesen am Pfaffenstein – und schließlich von der Ebene hinunter bis zum Elbufer in Königstein. Ich weiß, dass ich sehr hungrig sein werde, wenn ich dort ankomme, und vom Gepäckmarsch über die Berge ziemlich müde und kaputt.  Und trotzdem fühlt sich das alles herrlich richtig an. Auch und besonders im Bauch.

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