So viel Zeit muss sein

Tafelberg am Horizont, davor endlose Wälder
Zum höchsten Berg der Sächsischen Schweiz muss man ein ganzes Stück laufen. Aber der Anmarsch lohnt sich. (Fotomontage: Sven Legler/Hartmut Landgraf)

Bis zum Großen Zschirnstein ist es ein weiter Weg. Aber die Tour auf den höchsten Berg der Sächsischen Schweiz lohnt sich trotzdem, auch für Kletterer. Wegen der Aussicht – und der Südwand. Ein Klassiker, der besonders im Spätherbst seine Reize hat.

Text: Bernd Arnold

Spätherbst, das Tageslicht wird kürzer und die Temperaturen sinken. In dieser Zeit, sozusagen zwischen den Jahreszeiten, tritt für die meisten Felssüchtigen das steile Klettern etwas in den Hintergrund. Zumindest für Draußen ist das so, denn die Hallensaison, das Wintertraining nach Feierabend hat ja schon begonnen.

„Freiluft“ erlebt man jetzt mehr wandernd, und nur wenn es die Bedingungen zulassen, ergibt sich eine Klettertour, das Gruppenerlebnis erhält dabei mehr Beachtung. Ziele sind dabei oft Orte, die in einer straffen Klettersaison nicht angesteuert werden. Wie zum Beispiel der Große Zschirnstein.

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Mit Rucksack und Eispickel

Im Sommer 1957 führte mich mein Vater, von der Bahnstation Schöna ausgehend, über die Kaiserkrone und Zirkelstein an den höchsten Punkt der Sächsischen Schweiz. Für mich, den damals zehnjährigen Jungen, eine Endloswanderung, die ich in grausiger Erinnerung behielt.

Felswand mit Kletterern
Blick hinunter zum Einstieg der Südwand. (Foto: Bernd Arnold)

Ganz anders dazu mein erstes Klettererlebnis – Großer Zschirnstein-Südwand. Dezember 1963. Im Elbtal blieb der Schnee noch nicht liegen, doch oben am Großen Zschirnstein herrschten schon winterliche Bedingungen.

Mit meinem, erst vor zwei Monaten, frisch gewonnenen Seilgefährten Wolfram Nolte, der mir danach über Jahre hinweg ein fester Freund wurde, sollte es eine winterliche Bergtour mit alpinem Charakter werden. Jedenfalls hatte ich meine Neuerwerbung aus der SPOWA am Pirnaischen Platz, den Eispickel Marke Abalakow, mitgenommen.

Oscar Schusters spärlicher Tagebucheintrag, vom Tage der Erstbegehung, war uns bekannt. So inspiriert, sollte es auch eine ähnliche Bergbesteigung werden.

Aus Oscar Schusters Tagebuch

Sonntag, den 14. Juni 1903. Mit Deninger, Kuhfahl, Sattler, Stübel in die Sächsische Schweiz. Zuerst an den Papststein. Die Papsttürme*) gemacht an der NW-kante dieses Felsens. Erste Ersteigung des östlichen bereits 5.3.1893 durch Böhme, Klimmer und mich. Darauf zu den Zschirnsteinen; Kuhfahl und ich ersteigen den Großen Zschirnstein über die Südostwand. **) Am Nachmittag noch auf Zirkelstein und Kaiserkrone.

*) Große und Kleine Hunskirche; die Kleine Hunskirche liegt südöstlich von der Großen.

**) Auch sonst hat Schuster öfters lohnende Massivklettereien ausgeführt, z.B. Abstieg von der Bastei ins Elbtal, Große Gans vom Amselgrund aus, Südwand des Liliensteins.

Kletterer an Felswand
Gisbert Ludewig (89) an der Zschirnstein-Südwand, September 2019. (Foto: Bernd Arnold)

Nach der langen Wanderung durch den Schönaer Forst standen wir endlich vor der Südwand. Schnee lag tatsächlich hier oben und ein paar Schneeflocken rieselte es auch. Nach einigem Zweifeln glaubten wir die Wegführung zu erkennen. Im Einstiegskamin zum Pfeiler behinderte der Rucksack und der Pickel verklemmte sich. Quergang nach links und grobstrukturierte Wand zum Steilaufschwung. An zwei Sanduhren ergab sich ein Standplatz. Auf den nächsten Metern, mit klammen Fingern und rucksackbepackt, war der ganze Mann gefordert. Auf dem Band nach der Rechtsquerung wieder Stand. In der weiteren Kaminfolge beschlossen wir aber die Rucksäcke nachzuziehen. Auch umständlich, zumindest bewegten wir uns besser nach oben. Und endlich, kurz vorm Ausstieg zum Gipfelplateau bot sich die Gelegenheit, mit dem Pickel ein paar Eiszapfen abzuschlagen.

Kletterer an Felswand
Gisbert im Quergang… (Foto: Bernd Arnold)

Um mir die Route für diesen Beitrag ins Gedächtnis zurückzurufen, kletterte ich erst kürzlich im September nochmals durch die Südwand. Am Seil hatte ich Gisbert Ludewig (Gisi), mit 89 Jahren der allerälteste meiner noch lebenden Seilgefährten, außerdem begleitete uns noch ein Pärchen aus Glauchau, die ich vor 20 Jahren in den Klettersport einführte. Oben angekommen steht man zwar nicht auf einem wahrhaftigen Klettergipfel, aber immerhin auf dem höchsten Punkt der Sächsischen Schweiz, sogar auf den obligatorischen Bucheintrag (Wandbuch) muss nicht verzichtet werden. Wir genossen jedenfalls einen goldenen Herbsttag, mit einer Stille, wie man sie nur hier erleben kann.

In diesem Sinne – Euch allen viel Freude am Zschirnstein! Egal zu welcher Jahreszeit.

Bernd

 

 

 

Fortsetzung folgt

*Quellen:

  • Aus Oscar Schusters Tagebüchern, Dr. Waldemar Pfeilschmidt, Der Bergsteiger Heft 2 1922.
  • Kletterführer Band Gebiet der Steine, Berg- und Naturverlag Rölke 2015.
  • Der Wanderführer „Die Tafelberge der Sächs. Schweiz“, Heimatbuchverlag Michael Bellmann.
  • Personen- und Klublexikon Sächs. Schweiz, Kerstin &Michael Schindler, SBB 2014.

Bislang sind erschienen:

    1. Hartmannweg am Vorderen Gansfelsen >>> zum Beitrag
    2. Schusterweg am Talwächter >>> zum Beitrag
    3. Weinertwand am Vexierturm >>> zum Beitrag
    4. Privatweg an der Großen Hunskirche >>> zum Beitrag
    5. Bruchholzkante am Spannagelturm >>> zum Beitrag
    6. Nordwestkante am Falkenstein >>> zum Beitrag
    7. Südwestwand am Lolaturm >>> zum Beitrag
    8. Südwand am Großen Zschirnstein

Großer Zschirnstein

561,74 m, nach Vermessung von Dr. Rolf Böhm

Er ist der höchste Berg der Sächsischen Schweiz. Der Name ist slawischen Ursprungs (czerna – schwarz). Damit könnte die Felsfärbung oder auch ein Anblick als „schwarze Mauer“ gemeint sein. Andere Schreibweisen waren Tschirnstein und Zcyreinstein.

Besonderheiten: Etwa in der Mitte des großen, schrägstehenden Gipfelplateaus ist ein Basaltdurchbruch erkennbar. Im Tertiär durchbrach Dolerit-Basalt die Sandsteinplatte, was auch zur Hebung des Berges führte. Am höchsten Punkt an der Südostseite steht seit 1865 die „Nagelsche Säule“ (Trigonometrischer Punkt). Benannt nach dem Vermesser Prof. August Nagel (1821-1903). Von hier aus bietet sich eine reichhaltige Aussicht. Von Osten nach Westen: Die böhmischen Vulkankegeln (Tannenberg, Kaltenberg, Kleis, Rosenberg), das böhmische Elbtal, Schneeberg, Sattelberg, Kahleberg und Geising. Und besonders angenehm, kaum ein Zivilisationsgeräusch stört die Stille.

Zugang: Am besten vom Plateau des Zschirnsteins die Schlucht links vom Kl.Zschirnsteinturm bis unter die Wand absteigen. Nun auf schmalem Pfad, ca. 200 m, nach Osten bis zum auffällig vorgelagerten Pfeiler, der den Einstiegskamin bildet.

Kletterin an Felswand
Hier wird´s luftig… (Foto: Bernd Arnold)

Südwand (IV)

Gustav Kuhfahl, Oscar Schuster; 14.6.1903. – Der Einstieg befindet sich ca. 80 m westlich der Südspitze. Kamin auf vorgelagerten Pfeiler, anschließend ca. 7m nach links queren und gestufte Wand zu markanten Rippen (Sanduhren), an diesen zu überwölbtem Band. Ca. 10 m rechts queren zu beginnendem Kamin (Stand). Kaminfolge (Wandbuch), mit Stand an Birke, zum Gipfelplateau (mehrere Varianten möglich).

Über die Erstbegeher:

Gustav Kuhfahl, Dr. jur. (geb. 1870 in Leipzig, gest. 1938 in Wiesbaden, Kuraufenthalt). Mitglied bei „Falkensteiner 1895“, ab 1901 DuÖAV Sektion Dresden (Vorstand). Nach dem Studium in Leipzig und Freiburg war er Ratsassessor in Dresden und ab 1919 Direktor der Güntz-Stiftung. Das Bergsteigen führte ihn ins Elbsandsteingebirge und Zittauer Gebirge. Weite Reisen unternahm er in verschiedene Alpenländer, mit Oscar Schuster nach Norwegen und in den Kaukasus (Veröffentlichung von Fotos und Tourenberichten). Als Amateurfotograf war er auch ein Pionier der Farbfotografie (Buch: „Mit Camera im Gebirge“ 1910). Später widmete er sich der Forschung zu Postmeilensäulen, sowie Stein- und Sühnekreuzen (Buch: „Die kursächsischen Postmeilensäulen“ 1930). Sein fotografischer Nachlass befindet sich seit 1979 im Besitz der Deutschen Fotothek. Erstbegehungen im Sandstein: Gr. Zschirnstein-Südwand IV (1903), Kampfturm-Kuhfahlweg III (1906 mit Walter Fischer).

Dr. Oscar Schuster (1873-1917). Um seine Person setze ich viel Wissen voraus. Wer tiefer in sein Leben einsteigen will, dem ist die Monografie „Oscar Schuster, Bergsteiger, Alpinist, Erschließer, Arzt, Publizist“ von Berghistoriker Joachim Schindler (SBB 2013) zu empfehlen.

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